Ein sicherer Hafen für geflüchtete Frauen und Kinder im Multifunktionszentrum „Empathie“.

 – Flucht aus der Ukraine

Sehnsucht nach dem sicheren Leben

Die kleine Republik Moldau wurde nach dem russischen Angriff zum Fluchtpunkt Zehntausender Geflüchteter aus der Ukraine – die meisten sind Kinder und Frauen. Constanta Cravet von unserer Partnerorganisation Concordia schildert ihren schweren Weg in eine bessere Zukunft.

Es sind fast zwei Jahre vergangen seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Das Leben vieler Ukrainerinnen und Ukrainer, insbesondere das von Müttern und Kindern, hat sich in dieser Zeit enorm verändert, da sie ihr Land auf der Suche nach einem sichereren Leben verlassen haben. Einige von ihnen fanden es im Nachbarland, der Republik Moldau.

„Wir fühlten, dass es unsere Pflicht war“

Als der Krieg begann, fanden wir uns mit Tausenden verängstigter Menschen an der Grenze wieder. Am 25. Februar, also am ersten Tag nach den russischen Angriffen, begab sich unser Team an die ukrainische Grenze, um drei Mal täglich warme Mahlzeiten für die Flüchtlinge vorzubereiten. Insgesamt haben wir so 23.270 warme Kuchen gebacken und verteilt. Wir waren rund um die Uhr da. Kurz darauf begannen auch viele Fami­lien aus dem nahe gelegenen Dorf Palanca, die geflüchteten Mütter mit Konserven, Gemüse, warmer Kleidung und anderen Dingen aus dem eigenen Haushalt zu versorgen.

Tausende von Flüchtlingen passierten das Dorf Tudora, wo Concordia das Multifunktionszentrum „Empathie“ betreibt. Dort konnten wir ihnen Mahlzeiten, psychologische Unter­stützung, Kleidung und in einigen Fällen auch eine Unterkunft zur Verfügung stellten. Einige zogen weiter, während andere beschlossen, im Dorf zu bleiben. Aber alle wurden im Zentrum willkommen geheißen und erhielten alles, was sie brauchten, denn wir fühlten, dass es unsere Pflicht war, uns um diejenigen zu kümmern, die unsere Hilfe am dringendsten benötigten.

Mit dem großen Zustrom ukrainischer Geflüchteter im März 2022 – in diesem Monat trafen 80.000 Personen ein – erkannten wir, dass wir uns auf eine komplexere humanitäre Intervention vorbereiten mussten. Wir stellten 162 Unterkunftsplätze in unseren Zentren bereit, um Müttern mit Kindern Sicherheit zu bieten. Dafür haben wir Einrichtungen an sechs verschiedenen Standorten im ganzen Land teilweise reaktiviert und neu ausgestattet: Bolohan, Chișinău, Stăuceni, Rîșcani, Ruseștii Noi, Tudora. Durch das Engagement der österreichischen Botschaft in Moldawien erhielten wir fünf Wagenladungen mit Hilfsgütern, die wir an viele bedürftige Flüchtlinge im ganzen Land verteilten. Das Wichtigste war jedoch, an ihrer Seite zu sein, zuzuhören und ihnen zu helfen, sich zu Hause zu fühlen.

Plattformen der Interaktion

Dies gelang uns, indem wir vier unserer Multifunktionszentren für ukrainische Kinder und ihre Mütter öffneten. Ein solches Multifunktionszentrum bietet eine breite Palette an Dienstleistungen an: Unterkunft, Tagesbetreuung, Kantine und Waschmöglichkeiten sowie maßgeschneiderte psychologische und medizinische Betreuung. Die Multifunktionszentren wurden auch zu Plattformen der Interaktion mit Menschen aus der lokalen Gemeinschaft. Hier konnten ukrainische Flüchtlinge, insbesondere Kinder, an verschiedenen Bildungsworkshops, Versammlungen sowie anderen Integrationsaktivitäten teilnehmen. Sie wurden beim Fernunterricht unterstützt, durch die Ausgabe von Computern und Schulbüchern, jedoch auch dazu ermutigt, sich an offiziellen öffentlichen moldauischen Schulen anzumelden und ihre Bildung vor Ort fortzusetzen.
Im Jahr 2022 halfen wir so 14.094 ukrainischen Flüchtlingen. All dies war trotz der Herausforderungen möglich, mit denen die moldauische Gesellschaft zu kämpfen hatte.

Zu Beginn des Krieges war das Land mit einer hohen Inflationsrate und erhöhten Preisen für Gas und Strom aus russischen Quellen konfrontiert, was es Vielen erschwerte, über die Runden zu kommen.
Heute ist die sozioökonomische Situation in Moldau stabiler geworden und die Preise sind gesunken. Die Anzahl der Geflüchteten und damit auch ihre Bedürfnisse haben jedoch zugenommen. Bis heute sind etwa 997.092 Einzelpersonen aus der Ukraine nach Moldawien gekommen; 120.683 haben sich in der Republik Moldau als Geflüchtete registrieren lassen. 38 Prozent von ihnen sind Frauen, 44 Prozent Kinder. Sie stehen vor der schwierigen Entscheidung, zu bleiben und zu versuchen, sich bis zum Ende des Krieges in der Republik Moldau niederzulassen, oder aber in die Ukraine zurück­zukehren.

Integration und Stolpersteine

Am 1. März 2023 setzte die Regierung ein neues Dekret um, um den Geflüchteten aus der Ukraine sowie Drittstaatsangehörigen vorübergehenden Schutzstatus zu gewähren. Dies erleichtert den Zugang zum Arbeitsmarkt, zu einer sicheren vorübergehenden Unterkunft, zu medizinischer Versorgung, zu öffentlichen Schulen und Sozialhilfe für Fami­lien mit Kindern sowie für unbegleitete Kinder.
Von den 52.741 bisher offiziell registrierten ukrainischen Flüchtlingskindern sind etwa 20.000 schulpflichtig. Davon sind aber nur 1.618 an moldauischen Schulen eingeschrieben, da nur etwa zehn Prozent die Landessprache Rumänisch beherrschen. Dies bedeutet, dass die verbleibenden 18.400 Kinder ihren Unterricht online fortsetzen. Das ist eine große Herausforderung, da viele der online übertragenen Unterrichtsstunden in der Ukraine durch Raketenangriffe gestört werden.

Geflüchtete, die vorübergehenden Schutz erhalten haben, erhalten auch offiziell Zugang zum Arbeitsmarkt. Laut dem letzten verfügbaren Bericht der moldauischen Nationalen Arbeitsagentur sind aber nur 1.283 ukrainische Flüchtlinge offiziell beschäftigt, und weitere 579 durchlaufen Integrationsmaßnahmen. Obwohl 141 lokale Arbeitgeber im November 2023 1.698 neue Arbeitsplätze ausschließlich für Flüchtlinge geschaffen haben, bleiben viele dieser Stellen unbesetzt. Einige Gründe dafür könnten sein, dass die Fähigkeiten der Flüchtlinge, die Arbeit suchen, nicht mit der Beschreibung der neu geschaffenen Arbeitsplätze übereinstimmen, oder dass die Flüchtlinge selbst nicht wirklich nach Arbeit suchen, da die meisten von ihnen Frauen sind, die sich um Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen kümmern müssen.

Im Jahr 2023 ist es Concordia gelungen, 4.231 Geflüchtete zu unterstützen. Während wir nach Ausbruch des Kriegs fast ausschließlich darauf abzielten, die Grundbedürfnisse zu decken, haben wir unser Spektrum an Prioritäten erweitert. Wir stellen weiter Unterkunft für 90 ukrainische Frauen und Kinder bereit, die immer noch keinen eigenen Platz gefunden haben, und die Kinder wurden offiziell an moldauischen öffentlichen Bildungseinrichtungen registriert.

Die Hauptziele unserer Arbeit sind jetzt gesellschaftliche Integration, Sicherung der Lebensgrundlagen, Wahrung der Kinderrechte, das Verhindern geschlechtsspezifischer Gewalt sowie das gezielte Fördern von Frauen. Wir beten weiterhin für Frieden und hoffen, dass der Krieg bald endet. Aber bis dahin sind wir entschlossen, weiter zu intervenieren, und die ukrainischen Flüchtlinge zu ermutigen, ihr Leben wieder aufzubauen und sich um eine bessere Zukunft für ihre Kinder zu bemühen.

Constanta Cravet (Concordia Moldova)

Nach der Flucht: Ankommen, Fuß fassen

Selbst wenn der Krieg in der Ukraine enden sollte, können viele Geflüchtete nicht in ihre zerbombten Heimatorte zurückkehren. Nach den Nothilfe-Maßnahmen der ersten Kriegsmonate unterstützen wir unsere Partnerorganisationen in Osteuropa jetzt bei der Integration der Vetriebenen in den Aufnahmeländern. Es geht um Wohnraum, Jobs und Sprachkurse

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