– Sambia

Eine hoffnungsvolle Zukunft in unserem gemeinsamen Haus

Für die Schöpfung – mit jungen Menschen – an der Seite der Benachteiligten – ein Weg zu Gott: Claus Recktenwald SJ über die jesuitischen Apostolischen Präferenzen und ihre Bedeutung für die sozial-ökologische Transformation im Süden Afrikas.


Im Jahr 2019 haben die Jesuiten Universale Apostolische Präferenzen erarbeitet, die die Ausrichtung des Ordens bis 2029 leiten sollen. Damit ist der Prozess aber nicht abgeschlossen. Wir sind jetzt erst mittendrin. Es ist gut zu sehen, dass nun der Ball wieder in den verschiedenen Provinzen liegt. Die deutsche Provinz hat vor wenigen Monaten ihren apostolischen Plan vorgelegt, wie sie die universellen apostolischen Präferenzen umsetzen will. Die junge südafrikanische Provinz arbeitet noch bis zum Ende dieses Jahres an diesem Dokument.

Auch für uns im KATC ist das ganz konkret die Frage: Was können wir tun, um unseren Beitrag zu leisten, dass die vier apostolischen Präferenzen 2029 das Erscheinungsbild des Ordens prägen?

1.  Für die Schöpfung: In der Sorge für das Gemeinsame Haus zusammenarbeiten

Kasisi hat in den 1990-Jahren angefangen, ökologische Land­wirt­schaft zu betreiben und zu unterrichten. Seitdem hat es einen fast dreißigjährigen Lernweg zurück­gelegt. Das Verständnis hat sich geweitet. Ursprünglich waren es die hohen Kosten für Düngemittel und Pestizide, die die Bauern einem hohen Investitionsrisiko aussetzten, die einen Umstieg auf ökologische Land­wirt­schaft nahegelegt haben. Bald kamen die Aspekte der Bewahrung der Umwelt und des Bodenaufbaus hinzu.

Schließlich hat Agrarökologie auch eine soziale Komponente. Es geht darum Gemeinschaft zu fördern und zusammenzuarbeiten. KATC ist in Kontakt mit einer Vielzahl unterschiedlicher Organisationen und arbeitet mehr oder weniger eng mit ihnen zusammen. Das bedeutet auch, dass es divergierende Visionen und Zielsetzungen gibt. In deren Spannungsfeld können aber auch neue fruchtbare Dinge entstehen. Hier sind wir als Kirche auch herausgefordert uns nicht selbst zu genügen. Es hält uns auf Trab. Neben der Tatsache, dass die großen Probleme nur gemeinsam gelöst werden können, sind das wichtige Gründe warum die Enzyklika Laudatosi’ zur Zusammenarbeit einlädt.

Im April haben wir in Kasisi ein Treffen organisiert mit dem Titel “Agroecology Dialogue”. Eingeladen waren Farmer, Mitarbeiter vom Ministerium für Land­wirt­schaft und andere NGOs. Themen waren die Herausforderungen, denen die Bauern begegnen und was getan werden kann, um passende Antworten zu finden.
Welche Hilfe brauchen die Bauern? Ein wichtiger Aspekt war die Frage: Wie können sich die Bauern besser organisieren, um Informationen schneller zu bekommen, besser zu verstehen und dann auch für ihre Interessen einzutreten? Auch hier schlug das Thema Zusammenarbeit durch. In Kasisi versuchen wir so einen Ort der Begegnung zu schaffen und gleichzeitig ökologische Land­wirt­schaft zu betreiben.
Die Regenzeit ist in diesem Jahr sehr gut zu Ende gegangen. Besonders im Dezember und Januar waren die Regenfälle einwandfrei. Sogar jetzt 2,5 Monate nach der Regenzeit ist ein bisschen Grün zu finden. Die Prognosen für die nächste Regenzeit sagen aber ein El-Nino Jahr voraus, diese bedeuten im südlichen und westlichen Teil Afrikas normalerweise weniger Regenfälle. Dafür könnte es im östlichen Afrika, die sehr von der Trockenheit betroffen waren, wieder mehr regnen.

Nächstes Jahr feiert KATC sein 50-jähriges Bestehen. 47 Jahre lang wurde es von Br. Paul geleitet. Leider sieht es so aus, dass er wahrscheinlich nicht dabei sein kann. Sein Gesundheitszustand ist nach wie vor nicht gut. KATC hat Sambia durch große Veränderungen begleitet. Ich bin im nächsten Jahr 5 Jahre hier und sehe schon immer wieder Bereiche, in denen es Veränderungen gibt – zum Guten und zum Schlechten. Entwicklung ist kein geradliniger Prozess. Wir wollen Menschen, die in Kasisi ausgebildet worden sind, hier gearbeitet oder mit uns zusammengearbeitet haben, die Möglichkeit geben ihre Erfahrungen aufzuschreiben. Ich denke, das ist dann auch eine gute Grundlage, um zu diskutieren, wie der Weg in Zukunft weitergehen kann.

2. Mit jungen Menschen: Jugendliche und junge Erwachsene bei der Gestaltung einer hoffnungsvollen Zukunft begleiten

Sambias größtes Potential sind seine jungen Menschen. Das durchschnittliche Alter der Bevölkerung in Sambia beträgt 17.1 Jahre (im Vergleich: Deutschland liegt bei 44,7 Jahren). Aber geht die Dynamik, die mit dieser Jugendlichkeit einhergeht in die richtige Richtung und blicken die Jugendlichen in eine hoffnungsfrohe Zukunft?

Gerade in den städtischen und stadtnahen Gebieten befindet sich die sambische Gesellschaft in einem tiefgreifenden Wandel. Die traditionellen Sozialstrukturen, werden durch “modernere” ersetzt. Die Jugendlichen sind durch soziale Medien und Fernsehen stark von einer “Glamour”-Kultur beeinflusst. Mangelnde Perspektiven führen zu frühen Schwangerschaften (durch Covid noch verstärkt), Alkohol- und Drogenkonsum und Resignation. Man hört immer wieder von Selbstmorden und Selbstmordversuchen.

Wie können Jugendlichen in einer solchen Situation gute Perspektiven entwickeln?

Die Erfahrung, dass sie etwas verändern, etwas bewirken können ist wohl zentral. Sie sind es im Endeffekt, die die Kreativität, die Dynamik und die Kraft zur Veränderung haben, um an den großen Problemen, wie der Zerstörung unserer gemeinsamen Welt etwas zu ändern und neue Lebensstile zu erproben.

In einem Pilotprojekt leben 9 Studenten, die im Diploma-Programm in Agrarökologie studieren, Vollzeit in Kasisi. Normalerweise ist das Programm ein Fernstudium und die Studenten kommen nur für 6 Wochen im Jahr nach Kasisi. In der zusätzlichen Zeit in Kasisi sollen sie neben den praktischen Erfahrungen in der Land­wirt­schaft auch einige zusätzliche Dinge lernen. Sie werden darin begleitet, eine eigene Geschäftsidee zu entwickeln und erste Schritte der Umsetzung zu gehen. Daneben stehen auch lebenskundlicher Unterricht, Leadership und Soziale Verantwortung auf dem Programm.
In der Zeit um Ostern waren auch 4 Schüler und ihr Lehrer Herr Seeherr aus dem Kolleg Sankt Blasien in Kasisi zu Besuch. Eine Gelegenheit der Begegnung, aus der hoffentlich weitere Initiativen entstehen können.

Gemeinsam haben die deutschen-sambischen Jugendlichen auch manche Stunde im Plastik-Recycling-Workshop verbracht und dort zusammen die verschiedenen Plastiksorten getrennt und geschreddert. Nun arbeiten die sambischen Studenten einen Tag pro Woche alleine weiter, um auch von ihrer Seite etwas Geld für den Rückaustausch beizusteuern. In den nächsten Tagen haben die Jugendlichen schon einen Termin mit einem potenziellen Kunden, um über den Verkauf des geschredderten Plastiks zu verhandeln.

Wir hoffen, dass in der zweiten Jahreshälfte ein Jesuit-Volunteer nach Kasisi kommt, um mit den Jugendlichen zusammen weiter in diese Richtung zu arbeiten. Gemeinsam können sie dann eventuell auch einige Schüler aus den Schulen in Kasisi in den Workshop miteinbeziehen. Außerdem wird ab Sommer ein junger Jesuit aus Zimbabwe, der gerade sein Philosophie-Studium abgeschlossen hat, nach Kasisi übersiedeln, um sein Magisterium (eine praktische Zeit, bevor er mit dem Theologiestudium anfängt) zu machen. Er hat vor seinem Eintritt auch eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert. Ein Teil seines Aufgabengebietes wird sein, die pädagogische Betreuung der Studenten zu koordinieren. Im Moment versuchen wir gerade die Unterkunft der Jugendlichen auszustatten, da sie aus dem eigentlichen Räumen des Trainingscenters ausziehen mussten um dort den Platz für den eigentlichen Trainingsbetrieb zu erhalten.

3. An der Seite der Benachteiligten: Gemeinsam mit den Armen, den Verworfenen der Welt, den in ihrer Würde Verletzten auf dem Weg sein, gesandt zu Versöhnung und Gerechtig­keit.

Ernährung ist ein Kulturgut und sie schafft Identität! Es heißt ja nicht umsonst: “Man ist, was man isst”. Die französische Küche wurde 2010 als erste Nationalküche von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Die großen Kulturkreise der Welt entstanden um Kulturpflanzen, die deren Entwicklung begünstigten. Die asiatischen Kulturen beispielsweise um Reis, Europa und der Nahe Osten um Getreide, Südamerika um Mais und Kartoffeln.

Neben dem Alltagsgebrauch, bei dem Menschen zum gemeinsamen Essen um einen Tisch zusammenkommen, haben diese Grund­nahrungs­mittel auch oft eine kultische Bedeutung, die die Identität noch verstärkt.

Afrika hat eine lange Geschichte der Unterdrückung hinter sich, die sich auch im Bereich der Ernährung wiederfinden lässt. Anfangs war es eher der Hunger der Kolonialnationen nach fremden Früchten, Nahrungsmitteln und Rohstoffen, die eine bestimmte Art Land­wirt­schaft gefördert hat. Diese Linie lässt sich bis heute durch verschiedene Formen des Land- und Ressourcen-Grabbings wiederfinden. Auf einer benachbarten Farm werden zum Beispiel Blaubeeren angebaut, die direkt von der eigenen Landebahn der Farm ausgeflogen werden. Von der Wertschöpfung profitieren die Menschen hier wenig.
Es gibt aber noch eine zweite Dynamik, die sich auf die kulturelle Identität der afrikanischen Völker noch verheerender ausgewirkt hat und weiter auswirkt. Das Erschließen von Absatzmärkten ist heute ebenso bedeutend wie das Sichern von Rohstoffen. Afrika mit seinem großen Entwicklungspotential und seiner weitgehend jungen und schnellwachsenden Bevölkerung ist für viele der Markt der Zukunft. Alle großen Nationen versuchen sich auf ihre Weise hier zu positionieren. Im Agrargeschäft ist der Saatgutmarkt einer Wichtigsten. Viele internationale Saatgutfirmen kämpfen in den verschiedenen afrikanischen Ländern um strategische Positionen für zukünftige Geschäfte.

Für die traditionellen Saatgutsysteme der Kleinbauern hat das verheerende Konsequenzen. Hierbei gibt es eine politische und eine praktische Dimension. Im Politischen geht es darum die für das Geschäft zuträglichen Bedingungen zu schaffen. Es geht um internationale Harmonisierung, damit die Rechte der international operierenden Firmen geschützt sind. Viele Aspekte der Harmonisierung sind durchaus positiv. Qualtität von Saatgut ist unabdingbar wichtig. Ohne entsprechende Qualitätssicherung ist der Aufbau eines Saatgutmarktes über den dörflichen Bereich hinaus, in dem Vertrauen auf persönlichen Beziehungen beruht, nicht möglich.

Andererseits werden oft nur die Aspekte aus den internationalen Vereinbarungen in nationales Recht übersetzt, die die Interessen der Konzerne schützen. Im Praktischen geht die Verdrängung von traditionellem Saatgut durch verschiedene Dynamiken vonstatten. Bei der Verfügbarkeit von Saatgut sind die Dorfgemeinschaften bei traditionellem Saatgut vor allem auf sich selbst angewiesen. Sie müssen das Saatgut jedes Jahr vermehren und lagern, damit es im nächsten Jahr wieder zur Verfügung steht. In Hungerjahren oder bei Naturkatastrophen kann es leicht passieren, das Saatgut unwiederbringlich verloren geht. Das ist nicht der Fall für das Saatgut der Konzerne, sie können auf eine quasi unerschöpfliche Nachschublinie zurück­greifen.
Eine zweite Dynamik kommt in Gang, wenn das fremde Saatgut erst einmal in den Dorfgemeinschaften vorhanden ist. Besonders bei Fremdbefruchtern wie Mais kann das Hybridsaatgut die traditionellen Sorten durch Einstäuben so verändern, dass sie ihre Stabilität und ihre distinkten Merkmale verlieren. Dann haben die Bauern keine andere Wahl mehr, als auf das fremde Saatgut umzuschwenken.
Wenn mit der Zeit mehr und mehr traditionelle Sorten verloren gehen, hat das auch Auswirkungen auf die Essgewohnheiten und die kulturelle Identität der Menschen, deshalb ist unser Einsatz für die traditionellen Sorten auch ein Einsatz an der Seite der Benachteiligten.

Unsere Vision wäre, dass Afrika nicht so sehr die Gebräuche und Essgewohnheiten anderer Kulturen übernimmt, sondern stolz seinen eigenen Beitrag in die Weltgemeinschaft einbringt. Wir haben neben den 6 Saatgutbanken in den Dörfern, jetzt auch eine Backup-Saatgutbank in Kasisi gestartet. Die Studenten helfen hier auch in der Saatgutvermehrung mit, um auch in diesem Bereich Know-How zu sammeln. Als nächste Schritte versuchen wir nun die verschiedenen Sorten zu beschreiben und zu testen. In diesen Prozess werden auch die Bauern, die in den dörflichen Saatgutbanken engagiert sind, einbezogen. Dafür werden sie in Kasisi trainiert und mit dem notwendigen Rüstzeug ausgestattet.

Seit März arbeitet eine Züchterin aus Uganda bei uns im Team als Training & Research Coordinator mit. Mit ihrer Erfahrung wird sie sicherlich in diesem Feld einen wertvollen Beitrag leisten können. Zusammen mit anderen Organisationen setzen wir uns im kommenden Jahr speziell mit den zwei Themen “Nahrungsmittel-Souveränität” und “Farmer-Rechte” auseinander und versuchen diese Themen auch in den politischen Diskurs einzubringen. Leider sieht es so aus, als ob Sambia plant, genetische modifizierte Sorten schon bald zuzulassen.

4. Ein Weg zu Gott: Durch Unterscheidung und Geistliche Übungen Gott finden helfen

Die Enzyklika Laudatosi stellt einen klaren Zusammenhang her zwischen der Umweltkrise und einer spirituellen Krise, in der sich die Menschheit befindet. Die Weise wie wir mit der Natur umgehen, legt ein tieferes Defizit offen, in der Weise, wie wir mit allem, was um uns ist in Beziehung treten. Dieses Defizit zeigt sich auch in der Gleichgültigkeit, mit der wir der Not anderer Menschen begegnen.
Dieses Defizit ist nicht etwas Neues, es geht durch die Geschichte der Menschheit wie ein roter Faden. Allerdings potenzieren unsere erweiterten technischen Möglichkeiten die Auswirkungen dieses Defizits in der heutigen Zeit. Mit zunehmenden technischen Möglichkeiten, müsste auch die menschliche Reife zunehmen. Es scheint allerdings, dass der Mensch sich mit Wachstum auf dieser Ebene schwerer tut.
„Den Seelen helfen“ war das große Anliegen von Ignatius von Loyola. Dabei klingt schon mit, dass es Ignatius dabei wesentlich um die zweite Ebene geht. Er will den Menschen wieder mit Gott in Beziehung bringen, damit dadurch auch die anderen Beziehungen zu sich selbst, zum Nächsten und zu allem, was ist, wieder ins Lot kommen. Die weltweite Laudatosi’ Bewegung hat die Intuition, die Papst Franziskus in der Enzyklika formuliert, aufgegriffen und versucht sie mit Leben zu füllen.

Vor wenigen Wochen hat in Kasisi eine Schulung für Laudatosi’ Animateure stattgefunden. Teilgenommen haben 15 Jesuiten und Mitarbeiter aus Süd-, Ost- und Westafrika. Auch Muyangwa Mwanza, ein Mitarbeiter von KATC war auf eigene Anfrage und begeistert dabei. Übrigens ist er kein Katholik, sondern ein Mitglied der United Church of Zambia.

Für uns in KATC stellt sich die Frage: Wie können wir in Zusammenarbeit mit der Laudatosi’ Bewegung die geistliche Dimension in unserer Arbeit am Kasisi Agriculture Training Center stärken? Wir wollen im KATC zunächst eine Laudatosi’ Gruppe gründen und schauen wie die Institution teil der Bewegung werden kann. Wie können wir in unsere eigenen Diskussions- und Entscheidungsprozesse die Unterscheidung der Geister miteinbeziehen? Wie und auf welche Weise können Kleinbauern Teil der Bewegung werden und sich einbringen? Können wir in Kasisi Exerzitien anbieten, die die Schöpfung aktiv miteinbeziehen?

Claus Recktenwald SJ, Direktor KATC, Kasisi (Sambia)

KATC: Sambias Hoffnung ist grün

Das Kasisi Agricultural Training Centre (KATC) in der Nähe von Lusaka ist ein Zentrum der Jesuiten in Sambia zur Förderung der ökologisch-nachhaltigen Landwirtschaft durch Modellprojekte und entsprechendes Training von Bauern. Eine Recycling-Initiative verringert Müll und schafft neue Einkommensquelle

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