– Flucht aus der Ukraine

„Alles, was man tun kann ist überleben. Tag für Tag.“

Von einem friedlichen Dorf in der Ostukraine nach Bukarest: Die Geschichte von Inna Butenko erzählt von Schmerz, Hoffnung – und davon, wie der Jesuit Refugee Service (JRS) in Rumänien hilft, dort Stabilität zu finden, wo es keine Heimat mehr gibt.

Inna Butenko ist 60 Jahre alt. Sie stammt aus dem ostukrainischen Dorf Komyshuvakha in der Region Saporischschja – einer Ortschaft, die heute nur noch 15 Kilometer von der Frontlinie entfernt liegt. Wer jetzt noch dort lebt, schwebt in Lebensgefahr. Doch Inna und ihr Sohn Vitaliy verließen ihre Heimat schon früher – nicht freiwillig, sondern aus Angst um ihr Leben.

Inna lebt seit ihrer Kindheit mit einer körperlichen Behinderung: Eine angeborene Hüftdysplasie verschlechterte sich nach der Geburt ihres Sohnes. Später stießen ihre Hüften implantierte Prothesen ab – eine lebensbedrohliche Sepsis war die Folge. Seit 2014 sitzt sie im Rollstuhl. Ihr Sohn ist seither ihr offizieller Betreuer.

„Am 24. Februar 2022, um 6 Uhr früh, kam mein Sohn zu mir und sagte: ‚Mama, der Krieg hat begonnen‘“, erinnert sich Inna. „Ich dachte, er mache einen grausamen Scherz – bis ich die Explosionen hörte. Die Fenster bebten, Raketen flogen über uns hinweg. Ich fiel in Verzweiflung. Zwei Wochen lang kam ich nicht aus dem Bett.“ Nächtlicher Beschuss zwang Vitaliy, seine Mutter in den Keller zu tragen. Die Situation wurde unerträglich. Gemeinsam mit anderen älteren und behinderten Menschen sollten sie evakuiert werden – eine Entscheidung, die ihr ganzes Leben veränderte.

Eine Flucht voller Unsicherheit

Mit Hilfe des Vorsitzenden des Dorfrats gelangten sie zunächst nach Saporischschja – in der Hoffnung, dort in einem Flüchtlingszentrum unterzukommen. Doch es kam anders. „Man brachte uns in ein Altenheim und ließ uns dort zurück“, erzählt Inna. „Das Personal sagte, sie könnten mich aufnehmen – aber nicht meinen Sohn. Doch wie hätte ich ohne ihn zurechtkommen sollen?“

Die Entscheidung fiel: Flucht ins Ausland. Mit Unter­stützung von Freiwilligen reisten sie nach Bukarest. Seit dem 30. März 2022 leben sie dort – und fanden in der rumänischen Hauptstadt ein neues, vorläufiges Zuhause.

Der JRS als rettender Anker

Der Anfang war schwer: Sprachbarrieren, Isolation, Krankheit, fehlender Zugang zu Medikamenten – all das überschattete die ersten Monate. Doch dann erzählte ein anderer Geflüchteter mit Behinderung Inna vom Jesuit Refugee Service (JRS) Rumänien.

„Damals verteilte der JRS Gutscheine für besonders verletzliche Personen. Seither hilft uns die Organisation regelmäßig“, sagt Inna. „Der JRS übernimmt heute auch die Kosten für meine Medikamente – Schmerzmittel für meine Gelenke, Blutdrucktabletten, Kalzium für meine Osteoporose. Dank des medizinischen Förderprogramms konnte ich sogar notwendige Untersuchungen durchführen lassen.“

Auch praktische Hilfe kam dazu: die Vermittlung einer Hausärztin, Unter­stützung bei Behördengängen, Beratung – alles Dinge, die Inna und Vitaliy ohne Hilfe kaum hätten bewältigen können. „Unsere Mittel reichen kaum für Miete und Nebenkosten. Ohne den JRS wären wir auf uns allein gestellt.“

Menschlichkeit in schweren Zeiten

Was Inna besonders bewegt, ist die Herzlichkeit der rumänischen Bevölkerung. „Ich werde nie vergessen, wie die Menschen uns an der Grenze aufnahmen“, sagt sie mit Tränen in den Augen. „Sie gaben uns Kleidung, Nahrung, sprachen uns Mut zu. Ich war in Panik, als ich einmal eine Sirene hörte – ich schrie vor Angst. Eine rumänische Freiwillige, Ramona, beruhigte mich. Ich werde sie nie vergessen.“

Nach acht Monaten in einem Flüchtlingszentrum fanden Inna und Vitaliy mit Hilfe eines staatlichen Förderprogramms und der Unter­stützung von Freiwilligen eine eigene Wohnung. Auch heute erleben sie im Alltag viel Mitgefühl: „Wenn ich mit dem Rollstuhl unterwegs bin, bieten mir Menschen Hilfe an – in Bussen, in Geschäften. Ich bin dafür unendlich dankbar.“

Hoffnung im Jetzt

Doch die Vergangenheit lässt sich nicht abstreifen. Ihr ehemaliges Zuhause in der Ukraine wurde geplündert und schließlich zerstört. Inna weiß, dass es kein Zurück mehr gibt – und dass auch ihr Leben in Rumänien nur vorübergehend sein könnte. „Ich weiß nicht, wie ich für die Zukunft planen soll. Wir leben von einem Tag auf den anderen“, sagt sie leise. Und trotzdem: Dank der Hilfe von JRS, engagierten Freiwilligen und mitfühlenden Menschen in Rumänien ist es ihr gelungen, wieder ein Stück Sicherheit und Würde zurück­zugewinnen.

„Ich habe das Gefühl, dass ich mich angepasst habe. Ich verstehe die Sprache besser, kenne die Abläufe, weiß, wohin ich mich wenden kann. Es ist nicht leicht – aber wir haben überlebt. Und manchmal ist das schon alles, was man tun kann: überleben. Tag für Tag.“

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