– KATC Sambia

„Unser Saatgut, unser Recht, unser Leben“

Der saarländische Jesuit Claus Recktenwald SJ ist Direktor der Kasisi Agricultural Center in Sambia. Sein Einsatz für die kleinbäuerliche Land­wirt­schaft macht – allen Problemen zum Trotz – landesweit Schule. In seinem Adventsbrief berichtet er über die Chancen und Herausforderungen der Arbeit des KATC.

Im November hatten wir ein Treffen von Kleinbauern aus ganz Südafrika (Zimbabwe, Malawi, Zambia und Südafrika). Es wurde von der Seed Knowledge Initiative organisiert, die aus zwölf Partnern besteht – KATC ist einer davon. Der Titel des Treffens war: „Unser Saatgut, unser Recht, unser Leben“. Über eine Woche diskutierten sie über das Thema und besuchten verschiedene Farmer hier in Zambia, um zu sehen und zu lernen. Im Anschluss an das Treffen der Kleinbauern fand auch ein dreitägiges Seminar, organisiert von der Universität in Kapstadt, statt.

Es ging hier um die Frage: Wie können die Rechte der Bauern bezüglich des Saatguts in nationales Recht übersetzt werden?

Heimische Fruchtarten in Gefahr

Der Internationale Vertrag pflanzengenetischer Ressourcen von Nahrungsmitteln und Land­wirt­schaft (ITPGRFA) und die Konvention zur Biodiversität haben entsprechende Artikel. Aber auf nationaler Ebene wird in vielen Ländern, auch auf Druck von Konzernen, nur UPOV (Internationale Union zum Schutz von Pflanzenzüchtungen) implementiert. Diese Vereinbarung schaut aber nur auf die Rechte der Züchter, so dass die Gefahr besteht, dass die Saatgutsysteme der Kleinbauern in die Illegalität abgedrängt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Kenia. In Zambia unterscheidet man zwischen formellem und informellem Saatgutsystem. Das Saatgutsystem der Kleinbauern wird als informell bezeichnet und das bedeutet: Bauern dürfen ihre Ernte nicht als Saatgut verkaufen. Dadurch sind aber die lokalen und traditionellen Fruchtarten der Bauern in Gefahr zu verschwinden, weil offizielles Saatgut nur von den Züchtungshäusern kommt. Das ist aber doppelt tragisch. Einerseits ist die Tradition, Kultur und die Küche der Bauern auf diesen Fruchtarten aufgebaut, und andererseits liefern diese Landrassen das genetische Material für die professionellen Züchter. Darüber hinaus ist aber auch die natürliche Anpassung an den Klima­wandel höher, je mehr genetische Diversität auf den Feldern angebaut wird.

Die Düngerpreise sind dieses Jahr wie erwartet stark gestiegen. Das macht ihn für viele Kleinbauern unerschwinglich. Das Interesse an ökologischer Land­wirt­schaft nimmt deshalb stetig zu. Leider ist die Regierung nicht auf unseren Vorschlag eingestiegen, Training für Kleinbauern in ökologischer on-farm Düngemittelproduktion (Kompost, Bokashi, flüssiger Bio-Dünger…) ins staatliche Farmer-Unter­stützungsprogramm aufzunehmen. Wir hoffen aber noch, dass wir für die nächste Saison etwas erreichen können.

Gemeinsam sind wir stärker

Seit dem Umzug hat das Charis-Projekt, bei dem Bauern auf dem Land von KATC eine eigene Gemüseproduktion aufbauen konnten, einiges an Herausforderungen durchlaufen.

Das alte Bewässerungssystem, das instandgesetzt wurde, hatte nach einigen Wochen Probleme an der Pumpe. Nach einer teuren Reparatur funktionierte das System immer noch nicht, und die verantwortliche Firma vertrat den Standpunkt, dass das ganze Setup nicht funktionieren kann (obwohl es einige Tage vorher noch einwandfrei funktionierte). Sie machten stattdessen den Vorschlag, ein teures neues System zu kaufen.

Auf uns alleine gestellt dauerte es fast zwei Wochen, bis alles wieder funktionierte. Das Gemüse war zu diesem Zeitpunkt schon abgestorben.

Der größte Teil der Farmer ist trotzdem treu involviert: Ein Entwurf für eine Konstitution der Kooperative wurde geschrieben. Ein wichtiger Schritt für die eigenständige Organisation der Bauern. Die Mauer zur Begrenzung des Projekts wurde fertiggestellt, und damit ist der Bereich des Projekts eindeutig abgegrenzt und gesichert.

Im Moment arbeiten wir an der Fertigstellung der zweiten Bewässerungslinie und einem Ponton, damit wir die Wasserpumpe permanent auch während der Regenzeit am Damm installiert lassen können. Das ist wichtig, da das Gemüse während langer Trockenperioden immer wieder auch während der Regenzeit bewässert werden muss.

Ort der Begegnung und des Lernens

Personell haben wir in den letzten Wochen Verstärkung bekommen. Das Team in KATC hat nun einiges an Kompetenzen gewonnen und ist internationaler geworden. Neben einer Sambierin, die einen Master in Frankreich absolviert hat und die in Kasisi im Food-Processing arbeitet, wird eine Veterinärin aus Japan freiwillig für zwei Jahre in Kasisi mitarbeiten. Ein Däne, der über Jahre im ökologischen Sektor in Dänemark mitgearbeitet hat und auch Wirtschaftserfahrung hat, hat Anfang Dezember als Business Development Officer angefangen.

Ich hoffe, im nächsten Jahr mehr inhaltlich arbeiten zu können. Das erste Jahr war sehr stark von administrativen Tätigkeiten geprägt. Wie können wir Kasisi noch mehr zu einem Ort der Begegnung, des Experiments und des gemeinsamen Lernens machen? Es soll ein Ort sein, an dem Papst Franziskus‘ Laudato si’und die Sorge um unser gemeinsames Haus Realität werden.

Ökologie und Ökonomie zusammenbringen

Kasisi hat alles Potenzial dazu. In diesem Jahr haben 59 junge Menschen ein Praktikum zwischen 6 Wochen und 3 Monaten in KATC absolviert. 43 haben das Diplom-Programm in Agroökologie angefangen, und hoffentlich wird im nächsten Jahr die Anzahl auf über 80 anstiegen. Etwa 500 Menschen haben ein einwöchiges Training mitgemacht, und dazu kommen all die Begegnungen und Trainings außerhalb von KATC in den Gemeinden. Eine große Zahl an Besuchern und Besuchergruppen sind in KATC vorbeigekommen. Besonders beeindruckt war ich von christlichen Gruppen, die, wie wir, in Agroökologie und der Arbeit mit Kleinbauern eine Sendung Gottes spüren. Wir hatten außerdem Besuch von einem Delegierten des Ministry for Green Economy. Das ist ein neues Ministerium in Sambia, das noch herausfinden muss, wie Ökologie und Ökonomie zusammengehen können. Highlight war der Besuch des EU-Agrarkommissars Janusz Wojciechowski, der mit einer EU-Delegation im Mai Sambia besuchte und auch Zeit fand, KATC zu besuchen. Sein Plädoyer für die bäuerliche Land­wirt­schaft und die regionale Erzeugung von Lebensmitteln (Farm to Fork) sowie seine Offenheit für ökologische Land­wirt­schaft waren sehr ermutigend für uns.

Herr Seeherr, ein Lehrer des Kollegs Sankt Blasien, war ebenfalls für einige Tage in Kasisi, und wir haben ausführlich eine mögliche Zusammenarbeit mit dem Kolleg Sankt Blasien diskutiert. Ziel ist, ein Programm zu entwickeln, das junge Menschen in Zambia und Deutschland stark macht, gemeinsam und kreativ die großen Herausforderungen anzugehen, die sie erben werden. Ebenfalls eine internationale Begegnung war die Online-Predigt in Sankt Ignatius Frankfurt zum Themenmonat Nachhaltigkeit. Es war ermutigend zu sehen, wie gut die neuen Technologien auch helfen können, Brücken über Tausende von Kilometern zu bauen.

Kleinbäuerliche Land­wirt­schaft unter Druck

Ein Gedanke treibt mich um. Wir sehen um Kasisi einen rasanten Prozess der Urbanisierung. Unsere Reflexion in Kasisi hat uns deutlich gemacht, dass die betroffenen Gemeinden andere Probleme haben als die Gemeinden in einer intakten ländlichen Struktur. Der Zerfall der traditionellen Kultur, die gemeinschaftsbildend wirkt, ist rasant und führt dazu, dass vor allem Jugendliche nichts haben, in das sie hineinwachsen können – sie bleiben dann oft untätig. Frühzeitige Schwangerschaften, Alkohol und Gewaltproblematiken folgen auf dem Fuß. Daneben kommt es in diesen Gemeinden oft zu einer Art Landgrabbing, bei dem die Bauern oft auf mehr oder weniger faire Weise um ihr Land gebracht werden. Die gezahlten Preise sind meist stark unter dem Wert des Landes. Das Geld, das aus dem Verkauf verdient wird, ist innerhalb kürzester Zeit verbraucht.

Die Frage ist: Wie können wir in den betroffenen Gemeinden aus unserer speziellen Agrarperspektive helfen, diese Probleme anzugehen? Wie können wir gleichzeitig weiter für die typischen Kleinbauern in den weiter entfernten Gebieten da sein?


Vielen herzlichen Dank für all die Unter­stützung im Verlauf dieses Jahres. Sei es materiell, moralisch oder im Gebet. Ich fühle mich sehr getragen, und alles trägt dazu bei, dass Kasisi ein einzigartiger Ort ist und bleibt.

Ich wünsche Ihnen und Euch allen ein gesegnetes, frohes Weihnachtsfest, und dass das Jahr 2023 ein Jahr des Friedens in der Welt und im eigenen Leben wird.

Mit herzlichem Gruß aus Kasisi,

Claus Recktenwald SJ

KATC: Sambias Hoffnung ist grün

Das Kasisi Agricultural Training Centre (KATC) in der Nähe von Lusaka ist ein Zentrum der Jesuiten in Sambia zur Förderung der ökologisch-nachhaltigen Landwirtschaft durch Modellprojekte und entsprechendes Training von Bauern. Eine Recycling-Initiative verringert Müll und schafft neue Einkommensquelle

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