– Flucht aus der Ukraine

Moldau: Ein kleines Dorf als Refugium

400.000 Menschen sind in den vergangenen Wochen aus der Ukraine in die Republik Moldau geflohen. CONCORDIA Mitarbeiter:innen und viele Freiwillige aus der Zivilgesellschaft haben die unterkühlten Menschen mit warmen Lebensmitteln versorgt, Fahrten in die Hauptstadt Chisinau organisiert und Wohnraum vermittelt. Die CONCORDIA Mitarbeiterin Katharina Wagner hat sich die Lage vor Ort angesehen und berichtet.

Ankunft im Grenzgebiet

Der zehn Kilometer von der Grenze gelegene Ort Tudora war die erste Anlaufstelle. Als größte Hilfsorganisation im Land betreibt CONCORDIA dort seit 2008 ein Multifunktionszentrum. 14 betagte ältere Menschen leben dort und viele Kinder aus ärmeren Fami­lien kommen nachmittags zum Lernen und Essen. An die vulnerablen Menschen außerhalb des Zentrum liefern Sozialarbeiter:innen täglich Mittagessen – für viele die einzige richtige Mahlzeit. Eine sanfte Erhöhung in der Landschaft Tudoras erlaubt es in Richtung Odessa zu blicken und das schwarze Meer sehen, so nah liegt es an der Grenze.

Onkel Fedor und die kleine Yana

Als ich bei meinem Besuch in Moldau mehrere Stunden im CONCORDIA Zentrum in Tudora war, lernte ich Yana und Fedor kennen. Die kleine Yana, die mit ihrer Mama aus Odessa geflohen ist, liebt es zu tanzen und sich zu bewegen. Sie lebt mit ihrer Mutter, ihren beiden Geschwistern und drei anderen ukrainischen Frauen und Kindern im CONCORDIA Haus für Geflüchtete. Sie liebt Tiere und erzählt mir traurig, dass sie ihre Haustiere, Hund und Katze, zurück­lassen musste. Aber hier kümmert sie sich fleißig um die Nachbarskatzen und Hunde. Mit einem der älteren Bewohner hat sie eine besondere Freundschaft geschlossen. Yana fährt den im Rollstuhl sitzenden Fedor durchs Haus und malt ihm jeden Tag mindestens drei Bilder. Wie die meisten Bürger dieser Region, nahe zur transnistrischen Grenze, spricht auch Fedor russisch. So können sich die beiden gut verständigen. Fedor ist froh, dass hier so viele Kinder sind, mit denen er spielen und lachen kann. Es gibt ihm seine Lebensfreude zurück. Seine Kinder und Enkel wohnen im Ausland, in Portugal. Nur er ist in dem Dorf geblieben

Soziale Treffpunkte

Das Zentrum in Tudora ist ein sozialer Treffpunkt in einem Dorf, dem die Mehrheit der arbeitenden Generation, aus Mangel an Perspektiven und Not, den Rücken gekehrt hat. Ein Drittel der Moldauer:innen lebt und arbeitet im Ausland. Zurück bleiben die Alten in bescheidener Behausung, manchmal mit den zurück­gelassenen Kindern ihrer eigenen Kinder. Viele sind mit steigendem Alter damit überfordert. Banale Dinge, wie einfachsten Holz zum Heizen fehlen. Ein trauriges, verlassenes Bild geben die Dörfer her. Aus diesem Grund ist CONCORDIA mit Zentren in über 50 Gemeinden im ganzen Land aktiv.

In Tudora zeigt sich, wie großzügig und hilfsbereit Moldauer:innen sind, wie warmherzig sie ihren Nachbar:innen aus der Ukraine zur Seite stehen, während sie selbst wenig haben. Dreh- und Angelpunkt der Flüchtlingshilfe im Dorf ist meine Kollegin Veronika Mocan, die Leiterin des CONCORDIA Zentrums in Tudora. Gut vernetzt und im ganzen Ort bekannt war sie schon vor Kriegsausbruch. Sie koordiniert die Angebote vor Ort.

Bleiben, warten und hoffen

Bis heute sind 139 Flüchtende in Tudora geblieben. Mit einigen habe ich gesprochen. Sie wollen nicht weiter weg, sie wollen zurück, sobald alles vorbei ist. Die Mehrheit von ihnen sind Frauen, deren Männer und erwachsene Söhne in der Ukraine geblieben sind. Odessa, Mariupol, Mykolajiw – so heißen ihre Heimatstädte. Veronika Mocan konnte viele der Fami­lien bei 28 Host-Fami­lien in Tudora unterbringen. Sie werden regelmäßig besucht und mit Dingen des täglichen Bedarfs versorde. In Tudora sind es vier Mütter mit ihren Kindern, in dem zweistöckigen Haus in Rusestii Noi, 30 Autominuten westlich von Chisinau, mehrere ukrainische Mütter mir ihren Kindern. 

Vorbereitung auf die zweite Welle

Es herrscht weiterhin der Ausnahmezustand, auch wenn sich in der Katastrophe langsam eine Routine etabliert. Unsere Länderleiter:innen Tatiana Balta und Viorica Matas erhalten laufend Anfragen von internationalen Organisationen, die Ressourcen und Erfahrungen haben, denen aber hier vor Ort die Infrastrukturen unbekannt sind und die Ansprechpersonen fehlen. Sofern Odessa und umliegende Regionen angegriffen werden, wird es an der Grenze zu Palanca wieder einen großen Ansturm geben. Darauf will man vorbereitet sein. Auch in Moldau war die Angst, dass der Krieg ins eigene Land überschwappt, sehr groß. Ständig dröhnten Sirenen und es gab keine Nacht, in der man zur Ruhe kommen konnte. 

Gastfreundschaft und Dankbarkeit

In unserem CONCORDIA Haus Iuda in Bukarest und auf unserem CONCORDIA Edu-Campus in Ploiesti zeigen sich ähnliche Bilder der Gastfreundschaft. Deren Bewohner:innen sind jetzt selbst zu Helfer:innen geworden, indem sie beim Vorbereiten des Frühstücks mitarbeiten, kochen und die Kinder bespaßen. Am Tag meines Besuchs in Ploiesti wollten sich die ukrainischen Frauen mit einem ukrainischen Abendessen bei den Jugendlichen und dem CONCORDIA Team bedanken, was ihnen definitiv gelungen ist. Es sind bewegende Momente, die ich erlebe. Ich bin gerührt von dem Zusammenhalt und der Stärke der Menschen, und ihrer Offenheit.

86 Plätze für Flüchtende stehen an den beiden Standorten zur Verfügung. Manche bleiben ein, zwei Nächte, und reisen weiter, einige Fami­lien sind nun schon mehrere Wochen hier und möchten abwarten, in der Hoffnung, dass der Krieg bald vorbei sein wird und sie wieder in ihre Heimat zurück­kehren können.

Katharina Wagner, CONCORDIA Sozialprojekte
*Namen im Text geändert

Nach der Flucht: Ankommen, Fuß fassen

Selbst wenn der Krieg in der Ukraine enden sollte, können viele Geflüchtete nicht in ihre zerbombten Heimatorte zurückkehren. Nach den Nothilfe-Maßnahmen der ersten Kriegsmonate unterstützen wir unsere Partnerorganisationen in Osteuropa jetzt bei der Integration der Vetriebenen in den Aufnahmeländern. Es geht um Wohnraum, Jobs und Sprachkurse

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