– Haftentlassung von Pater Jörg Alt
„Ich bin dankbar für diese Zeit“
Am 1. April hatte Jesuitenpater und Klimaaktivist Jörg Alt SJ eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA Nürnberg angetreten – und ist nun wieder in Freiheit. Was er im Gefängnis erlebt hat, schreibt er einige Stunden nach seiner Entlassung, bestärkt sein politisches Anliegen.
Vor zwei Stunden, um 8.07 Uhr, endete meine 25-tägige Ersatzfreiheitsstrafe als Gefangener mit der Häftlingsnummer 740/25 in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg. Ich wurde gut behandelt, entsprechend ging und geht es mir gut, zumal ich stets wusste, dass ich die Haft für einen guten Zweck absitze. Ich bin dankbar für diese Zeit.
Ich war insofern ein typischer Gefangener, weil die meisten, die ich in Haus E der Justizvollzugsanstalt antraf, eigentlich nicht dorthin gehören. In den Worten eines Wärters: „Die meisten gehören psychiatrisch behandelt, die anderen brauchen einen Streetworker, und der kleine Rest gehört hierher.“
Oder in den Worten eines Mitarbeiters im Betreuungsbereich: „Die, die hier sitzen, sind nur Kleinkriminelle. Würde man mit ähnlicher Energie die Großkriminellen sanktionieren hätte man hier eine deutlich andere Zusammensetzung.“
Auch in meinem Fall galt und gilt: Sobald die Regierung eine Klimapolitik macht, die dem Pariser Klimavertrag und dem „Klimaurteil“ des Bundesverfassungsgerichts entspricht, braucht es keine nervigen Klimaaktivsten mehr. Mein einziger deprimierter Moment während der Haft war die Pressekonferenz am 9. April, auf der Esken, Klingbeil, Merz und Söder ihre Einigung auf einen Koalitionsvertrag verkündeten: Das Wort „Klima“ kam erst beim letzten Redebeitrag, von globaler Gerechtigkeit und Verantwortung dem Globalen Süden war überhaupt keine Rede. Es ist frustrierend: Statt die dringend nötige sozial-ökologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft anzugehen, ist der Koalitionsvertrag ein trauriger Beleg für das „Weiter So!“ einer Wirtschaft, die tötet.
An dieser Stelle vier Dankesworte:
- Ein Dank den Häftlingen und Wärtern, die mich alle sehr gut aufnahmen und, von zwei Ausnahmen abgesehen, in meinem Tun ermunterten und ermutigten. Besonders deutlich äußerten ihre Zustimmung Häftlinge und Wärter, die eine Familie mit (kleinen) Kindern haben.
- Ein Dank für Hunderte von Briefzuschriften aus fünf Ländern, die sich alle positiv und ermutigend zu meiner „Protesthaft“ äußerten – ich weiß überhaupt nicht, wann ich das alles beantworten soll. Die 25 Tage hinter Gittern waren insofern erholsam, dass ich dort keine Drohungen, keinen Hass und keine Beleidigungen zu hören bekam. Insofern habe ich das Internet, Emails und vor allem Kommentare auf Social Media überhaupt nicht vermisst.
- Ein Dank an alle, die an das Spendenprojekt auf GoFundMe für die Begleichung meiner Haftkosten an den Bayerischen Staat gespendet haben. Aus der Presse erfuhr ich, dass die Haftkosten in Nürnberg 192 Euro pro Tag betragen – also deutlich höher, als ich ursprünglich kalkuliert hatte. Zum aktuellen Stand sind dort 4.925 Euro eingegangen, die ich auf das Konto überweisen werde, das ursprünglich für die Begleichung meiner Geldstrafe vorgesehen war. Alles, was darüber hinaus gespendet wird, leite ich an den Rechtshilfefonds für Klimaaktivist:innen der Letzten Generation weiter.
- Und schließlich ein Dank den über 120 Jesuiten und Partnern vor allem aus dem Globalen Süden, die anlässlich meiner Haft einen Offenen Solidaritätsbrief unterzeichnet haben. Ihnen gehört das Schlusswort, auch und gerade auf dem Hintergrund des wenig inspirierten und ambitionierten Koalitionsvertrags:
Solidarität und Verantwortung
„Wir sehen Deutschland in der moralischen Verantwortung, seine Emissionen schneller zu senken und den sozial-ökologischen Umbau seiner Wirtschaft voranzutreiben. Der gerechte Anteil Deutschlands an dem verbleibenden globalen CO2-Emissionsbudget, das die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad begrenzen könnte, ist nach empirischen Daten bereits jetzt aufgebraucht.
Das bedeutet, dass Deutschland bereits jetzt auf Kosten des Globalen Südens und künftiger Generationen,lebt‘. Daher ist es gerecht, dass Deutschland seinen fairen Anteil an den Schäden, die durch die Nutzung fossiler Brennstoffe seit Beginn der Industrialisierung entstanden sind, bezahlen muss. Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union und eine der größten der Welt, kann durchaus seinen Einfluss nutzen, um die Transformation sowohl in der Europäischen Union als auch weltweit voranzutreiben.“
Hinweise:
Ich lade Sie herzlich ein zu meiner nächsten Gerichtsverhandlung vor dem Amtsgericht Nürnberg, Fürther Str. 110, Sitzungssaal 62, am 6. Mai 2025. Für eine Rede, die ich vom Bürgersteig aus gehalten habe, bin ich der „Beihilfe“ angeklagt.
Ich sehr um Verständnis, wenn ich aktuell weder telefonisch, schriftlich noch persönlich Weiteres zu meiner Haft sagen werde. Ich brauche einen Monat Zeit, um die vielen ungewohnten Eindrücke sortieren zu können. Sie werden rechtzeitig von mir hören.
Dr. Jörg Alt SJ