– Klimaprotest
Bereit, ins Gefängnis zu gehen
Nach seiner Teilnahme an einer Klimaprotestaktion wurde der Nürnberger Jesuitenpater Jörg Alt SJ 2023 zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat dieses Urteil nun bestätigt. Für Pater Alt steht fest: „Ich werde mich nicht freikaufen lassen.“
Vor einer Woche, am Dienstag, dem 5. November 2024, veröffentlichte das Bayerische Oberste Landesgericht seinen Beschluss zur Verwerfung meiner Revision und der Rechtskraft meiner Verurteilung wegen Teilnahme an der Straßenblockade am 16. August 2022.
Ich werde die vom Bayerischen Obersten Landgericht bestätigte Strafe von 50 Tagessätzen zu 10 Euro nicht bezahlen. Ich habe stets erklärt, dass ich als Ordensmann wegen des Armutsgelübdes über kein Einkommen und kein Bankkonto verfüge, dass ich den Orden und die Mitbrüder durch Zahlung meiner Geldstrafen nicht schädigen möchte, und es, da der Orden auch Eigentümer der von mir genützten Dinge wie z.B. Computer ist, bei mir nichts zu pfänden gibt. Ich werde auch nicht öffentlich um Spenden zur Begleichung der Strafe bitten, weil ich nach wie vor davon überzeugt bin, das Bestmögliche zum richtigen Zeitpunkt getan zu haben und ich mich deshalb nicht ‚freikaufen‘ lassen möchte. Ich bin bereit, meine Strafe durch 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis abzusitzen.
Ich tue dies in Solidarität mit jenen Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die von Verwaltung und Justiz ähnlich behandelt werden – das mag alles rechtmäßig sein, es ist aber ungerecht.
Rechtsbruch durch Bundesregierung
Ich protestiere damit gegen eine Justiz, die zunächst wichtige Kontextinformationen als ‚wahr unterstellt‘, diese dann aber in der Urteilsfindung nicht berücksichtigt und sich stattdessen auf rein unmittelbare juristische Engführungen zurückzieht, etwa „Wurden Autofahrer behindert, wenn ja, wie lange…“. Wäre dies anders, hätte die ‚als wahr Unterstellung‘ der drei Beweisanträge in meinem zweiten Verfahren zu einem Freispruch führen müssen.
Ebenso protestiere ich gegen den Tenor in den Urteilen aller drei Instanzen, dass kein Grundrecht in Deutschland höher steht als das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf freie Fahrt.
Schließlich und letztlich begründete ich meine Teilnahme an der Blockade vom 16. August 2022 damit, dass ich damit gegen Verkehrsminister Volker Wissings bewussten Bruch seiner Verpflichtungen nach dem damals noch geltenden Klimagesetz protestiere. Jetzt droht mir Gefängnis, für Minister Wissing hingegen wurde das Klimagesetz an sein Verhalten angepasst. Der Verkehrssektor ist trotz Pariser Abkommen, Klimagesetz und ‚Klimaurteil‘ des Bundesverfassungsgerichts nach wie vor jener Bereich, der am wenigsten zur Emissionsminderung beisteuert, obwohl geeignete und zumutbare Mittel zur Verfügung stehen – etwa Tempolimit oder Umschichtung von Subventionen.
Wenn vor diesem Hintergrund immer noch behauptet wird, es gebe trotz der zunehmenden Extremwetterereignisse keine Notlage und es gebe immer noch ‚mildere Mittel‘, um die Politik zum Handeln zu bringen – obwohl das Versagen all meiner anderen Anstrengungen seit Jahren belegt, dass dies nicht funktioniert – dann bin ich gerne bereit, als ein ‚unbelehrbarer Überzeugungstäter‘ ins Gefängnis zu gehen.
Allerdings: Neben der Strafe muss ich als Schuldiggesprochener auch Verfahrenskosten tragen. Und: Ich möchte dem Vorwurf begegnen, dass ich den Orden schadlos halte auf Kosten des Steuerzahlers, der für meinen Gefängnisaufenthalt tausende Euro zahlen muss. Zur Deckung dieser beiden ‚Kostenposten‘ werde ich, sobald ich eine Summe weiß, eine öffentliche Fundraising-Aktion aufsetzen, vergleichbar mit jener, durch die ich 2021 Geld für meine Anwaltskosten eingesammelt habe. Ich hoffe, dass dann viele dazu beitragen werden, der Justizkasse, dem Bayerischen Staat und dem Steuerzahler entstandene Auslagen zu ersetzen.
Mir geht es mit der Aussicht auf das Gefängnis nicht gut. Aber ich tue es für meine Freundinnen und Freunde aus dem Globalen Süden und den kommenden Generationen. Für deren Wohlergehen schränke ich gerne mein eigenes Wohlergehen ein. Wenn auch nur einige in unserem Land deshalb ins Nachdenken darüber kommen, was bei uns gerade im Umgang mit Klimawandel, Klimapolitik und Klimaprotest schiefläuft, dann lohnt es sich.“
Hintergrund:
Auslöser des Verfahrens war Jörg Alts Beteiligung an einer von „Extinction Rebellion“ und der „Letzten Generation“ organisierten Straßenblockade vor dem Nürnberger Hauptbahnhof am 16. August 2022.
Im ersten Verfahren vom 30. November 2023 begann Richter Pucher seine Urteilsbegründung damit, dass Jörg Alt ein „Überzeugungstäter“ sei, der sich für die „gute Sache“ einsetze; ebenso kritisierte auch er die Politik der Ampel. Im Prozess selbst, befand er, gäbe es aber nur die Rechtslage zu beurteilen und die sei klar eine Nötigung. Entsprechend verhängte er 75 Tagessätze zu 15 Euro.
In der Berufungsinstanz, dem Landgericht, wurden von der Verteidigung Alts am 30. April 2024 drei Beweisanträge gestellt:
- Antrag 1 galt dem Beweis der Tatsache: „dass die globale Erderwärmung eine gegenwärtige und existenzielle Gefahr für die menschliche Zivilisation darstellt und die staatlichen Gegenmaßnahmen auch in Deutschland nicht den Zielen des Pariser Übereinkommens von 2015 zur Begrenzung der globalen Erwärmung entsprechen.“
- Antrag 2 wurde gestellt zum Beweis der Tatsache, „dass Aktionen des zivilen Ungehorsams wie Straßenblockaden Aufmerksamkeit auf die Klimakrise lenken, ohne dem Anliegen des Klimaschutzes zu schaden, und dass sie dazu geeigneter sind als gewöhnliche politische Aktionen wie Demonstrationen und Petitionen.“
- Antrag 3 wurde gestellt zum Beweis der Tatsache, dass „die politische Willensbildung im Wesentlichen nicht durch die Suche nach Problemlösungen gekennzeichnet ist, sondern durch den Einfluss von Interessengruppen, deren Macht insbesondere von den finanziellen Möglichkeiten abhängt.“
Die Behandlung der Beweisanträge im Prozess wurde von Richterin Müller abgelehnt, da man sie als „wahr unterstellen“ kann. Nach § 244 III 6 Strafprozessordnung bedeutet dies, dass „eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.“
Trotz alledem hatte dies keine wesentliche Auswirkung auf das Urteil. Zwar gab auch Richterin Müller bei der Urteilsbegründung zu, sie habe Angst vor dem Klimawandel, dann fuhr sie aber mit er Behauptung fort, eine Verurteilung sei gerechtfertigt, weil mildere Mittel eben doch die erforderliche Abhilfe schaffen können – diese Argumentation ignoriert Beweisantrag 2. Sodann herrsche kein Notstand und die Regierung sei vollumfänglich handlungsfähig, deshalb sei kein ziviler Widerstand gerechtfertigt – dies wiederum ignoriert Beweisanträge 1 und 3. Zwar wurde das Strafmaß mit 50 Tagessätzen zu 10 Euro in der Höhe halbiert, das Urteil war aber alles andere als ein entlastender Freispruch.
Wegen der offensichtlichen Diskrepanz zwischen den als wahr unterstellten entlastenden Tatsachen und dem darauf aufbauenden Urteil ging Jörg Alt mit dem Vorhalt einer so genannten „Sachrüge“ in Revision. Dem folgte das Bayerische Oberste Landesgericht in seinem Beschluss vom 16. Oktober 2024 nicht, sondern schloss sich seiner eigenen Spruchpraxis sowie der Position von Landgericht und Generalstaatsanwalt an. Die Argumente der Verteidigung wurden in einem kurzen Abschnitt beiseite gewischt. Damit ist dieses Verfahren rechtskräftig beendet.
Wegen der offensichtlichen Auffassung, kein Grundrecht sei höher als das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf freie Fahrt bzw. der Implikation, dass man in Deutschland bei der Ausübung seiner Grundrechte mit erheblichen Strafen rechnen muss, wird eine Verfassungsbeschwerde geprüft. Aber selbst, wenn es dazu kommen sollte, so hat diese keine aufschiebende Wirkung bei der Rechtskraft und der damit verbundenen Fälligkeit der Strafe.
P. Jörg Alt SJ