Jörg Alt SJ (vorne rechts) mit anderen Aktivist:innen bei der Blockade am Nürnberger Hauptbahnhof.

 – Politik und Klimakrise

„Macht euren Job!“

Einen Tag nach der spektakulären Blockade des Nürnberger Altstadtrings durch Klima-Aktivist:innen zieht Pater Jörg Alt SJ Bilanz. Derweil solidarisieren sich Jesuiten aus Afrika und Südasien mit Aktionen gewaltfreien zivilen Widerstands: „Wir erinnern Deutschland daran, dass sein Wohlstand auf der jahrhundertelangen Nutzung fossiler Energien beruht und fordern die deutsche Regierung auf, den Ländern des Globalen Südens einen gerechten Anteil zurück­zugeben.“

Im Einsatz gegen die Klimakatastrophe und für das Recht auf Leben hat Jörg Alt SJ gemeinsam mit rund 40 Aktivist:innen am 16. August 2022 in Nürnberg den Altstadtring vor dem Hautbahnhof blockiert. Die Aktion wurde unterstützt von nationalen und internationalen Bündnissen aus Politik, Wissenschaft und Kirche. Einen Tag nach der Aktion, die mit der vorübergehenden Ingewahrsamnahme von Pater und Alt und 35 Mitstreiter:innen endete, zieht er ein Resümee:

Deutschland hat das Geld, die Technik und die Verantwortung

"Wir haben uns mit Sekundenkleber auf der zentralen Verkehrsader Nürnbergs auf die Fahrbahn geklebt, direkt vor dem Hauptbahnhof. Obwohl von den Verkehrsbetrieben VAG ohne Not vorübergehend zwei Straßenbahnlinien eingestellt wurden, haben wir an diesem Ort nur den Autoverkehr unterbrochen, was unsere Kernbotschaft unterstreichtt: Im Rahmen einer sozial-ökologischen Transformation müssen wir den motorisierten Individualverkehr (unabhängig davon, ob er auf fossilen Brennstoffen, Batterien, eFuels oder Wasserstoff beruht) einschränken und auf den Öffentlichen Personennahverkehr stärken.

Hinter der Blockade, wo die Straße jetzt leer war, haben wir die positive Vision einer autofreien Stadt gezeichnet mit Grünpflanzen, Tischen, Sofas und einem Picknick. Eine Pianistin hat die Aktion mit wunderbarer Klaviermusik begleitet. Die Botschaft: Lasst uns die Städte für Menschen befreien!

Die Polizei hat drei Stunden gebraucht, um den Kleber von unseren Händen zu entfernen und alle anderen Hindernisse, die mit der Blockade einhergingen, zu beseitigen. 35 von uns wurden festgenommen und verbrachten vier Stunden bei der Polizei für die Identifizierung und die Eröffnung von strafrechtlichen Ermittlungen wegen Nötigung, Verkehrsbehinderung und Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Ich bin mit der Aktion hochzufrieden und bewundere die strategische Planung und Diszipliniertheit meiner aktivistischen FreundInnen. Wir erhielten viel spontanen Zuspruch von Passantinnen und Passanten, und die Polizei verhielt sich höflich und zuvorkommend.

Wenn jetzt die FDP in der Bundesregierung noch ihren Widerstand gegen vernünftige Vorschläge zur Verkehrswende aufgibt, war die Aktion ein Erfolg. Deutschland hat das Geld, die Technik und die Verantwortung. Und wenn die FDP weiterblockiert, werden die Blockaden weitergehen – auch anderswo in Deutschland. Deshalb: Macht euren Job!"

Jörg Alt SJ

Solidaritätserklärung aus dem Globalen Süden

Dauern Hitzewellen in Deutschland Tage, sind es in Indien Wochen. Sind Starkregen in Deutschland punktuell, sind sie in Bangladesch flächendeckend. Werden in Deutschland Lebensmittel teurer, werden sie in Afrika knapp. Kostet die Hitze in Deutschland Tausenden das Leben, sind es im Globalen Süden Zehntausende.

In einem Statement erklären sich 40 jesuitische und andere kirchliche Organisationen aus Afrika und Südasien solidarisch mit den Aktivist:innen in Deutschland:

Anlässlich der heutigen Blockade als Aktion des gewaltfreien zivilen Widerstands in der Stadt Nürnberg möchten wir uns an die deutsche Regierung und das deutsche Volk wenden: Als Jesuiten und andere Stimmen aus dem Globalen Süden haben wir unsere Partner im Globalen Norden seit vielen Jahren darauf aufmerksam gemacht, dass Erderhitzung und Massenaussterben keine fernen Bedrohungsszenarien der Zukunft sind, sondern in unseren Teilen der Welt bereits tödliche Realität. Während in diesem Sommer in Europa Hunderte von Menschen an den hohen Temperaturen sterben, sind es im globalen Süden Tausende:

Lebensräume werden Todeszonen

Aber nicht nur an hohen Temperaturen, sondern auch an Hunger, Überschwemmungen, Stürmen oder an der Ausbreitung von Schädlingen und Krankheiten.
Der jüngste Bericht des Weltklimarates IPCC ist so eindeutig wie die Aussagen des UN-Generalsekretärs Guterres und der deutschen Außenministerin Baerbock: Das nächste Jahrzehnt wird darüber entscheiden, wie viele Gebiete der Erde weiterhin für Lebewesen bewohnbar sein werden oder sich in Todeszonen verwandeln, in denen Millionen von Menschen von Tod und Verletzung bedroht sind und Milliarden von Menschen ihr Zuhause und ihre Lebensgrundlage verlieren werden.

Deshalb müssen wir das derzeitige, auf fossilen Brennstoffen basierende sozioökonomische Paradigma jetzt beenden und den erforderlichen politischen, sozioökonomischen und kulturellen Wandel hin zu einem gerechten und nachhaltigen Handeln innerhalb der planetarischen Grenzen beschleunigen.
In Anbetracht der Tatsache, dass Konferenzen, Veröffentlichungen, Briefe und andere Formen der Fürsprache keinen angemessenen Wandel herbeiführen konnten, begrüßen wir Formen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams und zivilen Widerstands als Mittel und Aktionen, die die Medien, die Öffentlichkeit sowie die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik zwingen, innezuhalten und über den Kurs nachzudenken, auf dem wir uns befinden, und über die Maßnahmen, die wir treffen müssen.

Wir begrüßen daher die Beteiligung von Jesuiten an Aktionen des gewaltfreien zivilen Ungehorsams wie der Entnahme von Lebensmitteln aus Müllcontainern und deren Verteilung an Bedürftige. Wir unterstützen die damit einhergehende Forderung nach einer Reform und Umgestaltung der globalen Nahrungsmittelproduktion und -verteilung.

Wenn Deutschland erfolgreich ist, wird man ihm folgen

Wir begrüßen auch die Beteiligung der Jesuiten an Aktionen des gewaltfreien zivilen Widerstands wie der heutigen Blockade. Wir unterstützen die begleitenden Forderungen nach Veränderungen in der Mobilität, z.B. die Reduzierung des Auto- und Flugverkehrs und dessen Ersatz durch effiziente und bezahlbare öffentliche Verkehrsmittel. Wir sind dankbar für alle anderen kirchlichen und nichtkirchlichen Gruppen, die sich an solchen Aktionen beteiligen und damit Verhaftung, Strafverfolgung, Geld- und Freiheitsstrafen riskieren.

Wir rufen die deutsche Bevölkerung auf, sich an der sozial-ökologischen Transformation zu beteiligen, da es eine der reichsten und technologisch fortschrittlichsten Nationen auf der Erde ist. Wenn Deutschland erfolgreich ist, wird man ihm folgen. Wenn Deutschland sein Gewicht innerhalb der G7 und der Europäischen Union dafür einsetzt, wird das Konsequenzen haben. Wir fordern die deutsche Regierung auf, die Warnungen und Ratschläge der Wissenschaft mehr zu beherzigen als die Warnungen und Ratschläge der Lobbyisten privater und unternehmerischer Vermögensbesitzer.

Wir erinnern Deutschland daran, dass sein Wohlstand auf der jahrhundertelangen Nutzung fossiler Energien beruht. Zählt man den historischen Verbrauch zusammen, ist Deutschland weltweit das Land mit dem sechstgrößten Beitrag zur Klima- und Umweltverschmutzung. Wir fordern die deutsche Regierung auf, den Ländern des Globalen Südens ihren gerechten Anteil zurück­zugeben und ihre Bemühungen, um Anpassung und Abschwächung des Klima­wandels zu unterstützen, sei es humanitär, finanziell oder technologisch.

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