– Jesuit Refugee Service
Mehr als Überleben: Was Schutz wirklich bedeutet
Ob in Calais, Frankreich, oder in Bangui in der Zentralafrikanischen Republik: Menschen auf der Flucht sehnen sich danach, nicht nur sicher zu sein, sondern als Mensch anerkannt zu werden. Für Franck Aristide Brou SJ, einen jungen Jesuiten aus der Elfenbeinküste, wurde diese universelle Sehnsucht zum Leitmotiv seiner Arbeit mit Geflüchteten weltweit.
Wie fühlt sich Schutz an? Was bedeutet es, wenn ein Mensch sagt: „Ich fühle mich sicher“? Für Franck Aristide Brou SJ, einen jungen Jesuiten aus der Elfenbeinküste, wurde diese Frage zum roten Faden seines Dienstes an den Rändern. Fünf Jahre lang begleitete er Geflüchtete im nordfranzösischen Calais – einem Ort, der zum Symbol für Europas Versäumnisse im Umgang mit Migration geworden ist. Seit September 2024 wirkt er als Beauftragter für Bildung beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik.
Schutz bedeutet Beziehung
„Ich war tief beeindruckt, was Menschen im Exil unter dem Begriff ‚Schutz‘ verstehen“, erzählt Franck. „Für sie hatte es nichts mit Zäunen, Formularen oder Hilfspaketen zu tun – sondern mit Vertrauen, Freundschaft und Menschlichkeit.“
Bei einem Solidaritätsfestival in Calais wurde ihm das schmerzlich deutlich. Geflüchtete erzählten ihm: „Wir bekommen Essen und Seife, aber wir fühlen uns nicht respektiert.“ Eine Aussage blieb ihm besonders im Gedächtnis: „Wir wollen mehr als nur empfangen – wir wollen gehört werden.“
Diese Worte machten Franck bewusst: Rechtlicher Schutz und materielle Hilfe reichen nicht aus. Die Menschen fühlten sich trotz der Unterstützung nicht gesehen, nicht eingebunden, nicht als gleichwertige Personen anerkannt. Sie wollten keine Objekte des Mitleids sein, sondern Mitgestaltende ihres Lebens und ihrer Gemeinschaft.
Die Realität in der Zentralafrikanischen Republik: Konflikte, Gier und Vertreibung
Seit ihrer Unabhängigkeit 1960 leidet die Zentralafrikanische Republik unter anhaltenden Konflikten. Bewaffnete Gruppen – Militär und Rebellen – kämpfen um die Kontrolle über rohstoffreiche Gebiete. Die Bevölkerung zahlt den Preis: Gewalt, Vertreibung und Zerstörung sind an der Tagesordnung.
Der JRS arbeitet in Regionen wie Bangui, Bambari und Bria mit Binnenvertriebenen. Allein in den letzten drei Jahren hat der JRS über 20.000 Menschen erreicht. Der Fokus liegt auf Bildung, psychosozialer Begleitung und dem Zugang zu Lebensgrundlagen.
Franck fasst zusammen: „Es geht nicht nur darum, Menschen,zu versorgen‘, sondern sie auf ihrem Weg zu Würde und Teilhabe zu begleiten.
„Ich fühlte mich zum ersten Mal wie ein Mensch“
Besonders bewegt hat Franck die Geschichte eines jungen Mädchens, das im Bürgerkrieg 2013 ihre gesamte Familie verloren hatte. Mit zwölf Jahren stand sie allein vor den Trümmern ihres Lebens. Jahre später nahm sie an einem JRS-Bildungsprogramm teil. Auf die Frage, was ihr am meisten geholfen habe, antwortete sie: „Der JRS hat eine echte, menschliche Beziehung zu mir aufgebaut – nicht oberflächlich, sondern getragen von Vertrauen und Respekt. Ich habe wieder Lust aufs Leben bekommen. Ich fühlte mich sicher, geschützt – und vor allem: als Mensch behandelt.“
Diese Erfahrung spiegelt wider, was Schutz im tiefsten Sinn bedeutet: nicht allein physische Sicherheit, sondern emotionale und spirituelle Geborgenheit – ein Raum, in dem Menschen sich entfalten, wachsen und hoffen können.
Schutz durch Gemeinschaft
Ein afrikanisches Sprichwort bringt es auf den Punkt: „Wo Brüderlichkeit herrscht, wird jeder zum Hüter des Wohls des anderen, und Arbeit wird zur gemeinsamen Aufgabe.“
Für Franck Brou SJ ist das nicht nur ein Spruch, sondern gelebte Erfahrung. „Unsere Aufgabe ist es nicht nur, zu helfen“, sagt er. „Unsere Aufgabe ist es, Beziehungen zu stiften, in denen Menschen sich als Mitmenschen anerkannt fühlen – nicht als Empfänger, sondern als Brüder und Schwestern.“
Denn echter Schutz bedeutet: gesehen werden. Gehört werden. Geliebt werden.
Und in dieser Liebe spiegelt sich Gottes Zuwendung zu allen Menschen – besonders zu jenen, die an den Rand gedrängt wurden.

