– JRS Naher Osten

Armut und Angst

Traumata von Krieg und Vertreibung, keine Jobs, keine Perspektiven: In Syrien und im Libanon leiden immer mehr Menschen an psychischen Problemen. Die Angebote des Jesuiten-Flücht­lings­dienstes helfen Tausenden, aber reichen bei Weitem nicht aus

Angesichts der beispiellosen Wirtschaftskrise, die Syrien und das Nachbarland Libanon, Zufluchtsort vieler Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, erfasst hat, erinnert der Jesuiten-Flücht­lings­dienst im Nahen Osten (JRS MENA) an den Zusammenhang von Armut und psychischer Gesundheit: „Programme zur Stabilisierung psychischer Gesundheit und zur psychosozialen Unter­stützung müssen Hand in Hand gehen mit Programmen zur langfristigen Sicherung des Lebensunterhalts“, sagt Daniel Corru SJ, Direktor des JRS MENA. Ein gewaltiges Problem für viele Betroffene ist in beiden Ländern der Mangel an Hilfsangeboten und Medikamenten.

Syrien: 12 Millionen Menschen leiden Hunger

Die Wirtschaftskrise im Libanon ist nach Angaben der Weltbank eine der schlimmsten in der jüngeren Weltgeschichte. Innerhalb eines Jahres sind die Lebensmittelpreise um 400 % gestiegen.

Der wirtschaftliche Zu­sammen­bruch in Syrien stürzt 12,4 Millionen Menschen in Ernährungsunsicherheit. Hohe Arbeitslosigkeit und die Nichtverfügbarkeit von Treibstoff und Strom haben in beiden Ländern unerträgliche Lebensbedingungen geschaffen. Ein Jahrzehnt des Krieges in Syrien, die politische Instabilität im Libanon und die Folgen der fatalen Explosion im Hafen von Beirut im August 2020 haben vielen Menschen die Hoffnung auf die Zukunft genommen.

Der JRS fördert die psychische Gesundheit seiner Klientinnen und Klienten als integralen Bestandteil aller Programme. Daniel Corru SJ: „Wir unterstützen diejenigen, die spezielle Intervention benötigen, durch individuelle Psychotherapie, Sozialarbeit, Überweisungen an Psychiater:innen, Hilfe beim Zugang zur Gesund­heits­ver­sorgung und durch die Bereitstellung von Medikamenten."

Angstzustände, Schlafstörungen, posttraumatische Belastung

In den letzten zwei Jahren haben die JRS-Teams einen Anstieg der Zahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen und psychosozialen Problemen festgestellt. In den Monaten nach der Explosion in Beirut bot der JRS Libanon 868 Sitzungen zur psychosozialen Unter­stützung an, 601 psychologische Erste-Hilfe-Sitzungen und 1251 Beratungsgespräche. Die Menschen berichten Psychologen, dass sie unter Symptomen wie Isolation, Angst vor lauten Geräuschen, Alpträumen, Schlafstörungen und Angstzuständen leiden. In Syrien ist die Hälfte aller Klient:innen des JRS von psychologischen und emotionalen Problemen betroffen, allein 941 Kinder, die in Syrien die Nachbarschaftszentren des JRS besuchen, leiden unter Harninkontinenz, einem Anzeichen für extreme Not und/oder tägliche Stressfaktoren. Diagnosen allgemeiner Angststörungen, posttraumatischer Belastungsstörungen, Zwangsstörungen und Schizophrenie haben ebenfalls zugenommen.

Gesundheitssysteme am Boden

Trotz des hohen Bedarfs besteht sowohl in Syrien als auch im Libanon ein eklatanter Mangel an psychosozialen Hilfsangeboten, nur sehr wenige davon sind kostenfrei. Nach einem Jahrzehnt des Krieges sind nur 48 % der Krankenhäuser in Syrien funktionsfähig, und die Hälfte der medizinischen Fachkräfte befindet sich außerhalb des Landes. Es gibt einen Mangel an Psycholog:innen und nur ein einziges psychiatrisches Krankenhaus im öffentlichen Sektor behandelt akute Fälle. Im Libanon haben 40 % der Psychiater:innen das Land verlassen, und viele psychiatrische Abteilungen wurden in den letzten zwei Jahren geschlossen. Auf 100.000 Menschen in Syrien kommen nur 0,37 Psychiater:innen, 1,07 Krankenpfleger:innen, 1,07 Psycholog:innen und 0,08 Sozialarbeiter:innen.

Die Gesundheitssyteme brechen unter der Last der Wirtschaftskrise zusammen. Der größte Teil der Bevölkerung im Libanon nimmt eher private als öffentliche Gesundheitsdienste in Anspruch, aber viele Menschen können sich die Behandlungskosten nicht mehr leisten. Dr. Sami Richa, Präsident der libanesischen Psychiatrischen Gesellschaft und Abteilungsleiter in einem der einzigen psychiatrischen Krankenhäuser des Landes, teilte dem JRS mit, dass das Krankenhaus täglich Menschen, die einen Selbstmordversuche hinter sich haben, die Aufnahme verweigern muss, weil keine Kapazitäten da sind.

Auf eigenen Beinen stehen, um gesund zu sein

Interventionen im Bereich der psychischen Gesundheit müssen systematisch erfolgen und den wirtschaftlichen Bedürfnissen Rechnung tragen, denn: „Wie können wir gesund werden, wenn wir nichts zu essen haben?“, bemerkte einer der JRS-Klienten.

Kostenlose psychosoziale Hilfsangebote, die von Organisationen wie dem JRS angeboten werden, sind sehr gefragt, aber selten. Generell ist die psychische Gesundheit ein vernachlässigter Bereich: Wenn öffentliche Mittel bewilligt werden, dann oft nur kurzfristig, und die Projekte müssen schon nach wenigen Monaten eingestellt werden. Psychische Erkrankungen erfordern oft eine langfristige Behandlung und die Verschreibung von Psychopharmaka. Wenn Projekte abrupt enden, kann das den Patient:innen schaden. Die Psychologinnen und Sozialarbeiter des JRS haben Mühe, Fälle abzuschließen und neue zu übernehmen. Nur 5 % der Patient:innen, die die Dienste des JRS in Abspruch genommen haben, konnten ihre Behandlung abschließen.

Eines der größten Probleme bleibt die allgemeine Perspektivlosigkeit. Daniel Corru SJ: „Die psychische Gesundheit kann nicht aufrechterhalten werden, wenn die Menschen Schwierig­keiten haben, ihre grundlegenden psychosozialen Bedürfnisse zu erfüllen. Ein gesunder Mensch muss in der Lage sein, produktiv zu arbeiten und einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. So ist der Erwerb des Lebensunterhalts eine wichtige Grundlage für psychische Gesundheit.“

Syrien: Nachbarschaftszentren geben Halt

Nach 14 Jahren Bürgerkrieg droht Syrien eine ganze Generation zu verlieren: Sechs Millionen Schüler:innen zwischen 5 und 17 Jahren haben keinen regelmäßigen Unterricht, zwei Millionen besuchen überhaupt keine Schule. Unzählige Kinder und Jugendliche, viele von ihnen Binnenvertriebene, sind schwer traumatisiert. Nachbarschaftszentren des Jesuiten-Flüchtlingsdienst geben ihnen Halt und Perspektive

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