– Sambia

Zwischen Setzlingen und Schlammpisten: „Es braucht nicht viel, um Glauben zu feiern“

Vor 16 Monaten ist Claus Recktenwald SJ, Jesuit und Agrarwissenschaftler, in den Süden Afrikas aufgebrochen, um im Kasisi Agricultural Training Center (KATC) Kleinbauern Biolandbau-Konzepte und betriebswirtschaftliche Skills zu vermitteln. Neben dem Management der Lehrfarm treibt der junge Priester aus dem Saarland ein Recyclingprojekt voran und feiert Sonntagsmessen im Hinterland der Pfarrei.

Mittlerweile bin ich schon 1 Jahr und 4 Monate hier in Sambia. Letzte Woche habe ich zufällig Ernest wiedergetroffen. Er arbeitet als Züchter für das Zambian Agricultural Research Institute (ZARI). Ganz am Anfang meiner Zeit in Sambia haben wir zusammen an einem Workshop für partizipative Züchtung teilgenommen. Es war ein guter Moment, der mir klargemacht hat, dass trotz aller Anfangsschwierigkeiten die Dinge trotzdem wachsen und Gott sie mit der Zeit schon zusammenfügen wird.

Kunst, Natur und die universelle Weihnachtsbotschaft

In der Zwischenzeit habe ich auch eine sehr kunstsinnige Familie kennengelernt, die versuchen, in ihrem Zuhause Kunst und Natur zu verbinden. Dieses Zuhause soll ein offener Ort sein, an dem auch andere Menschen wieder auftanken können. Auf der Gartenmauer haben sie mit befreundeten Künstlern das Leben Jesu in verschiedenen Szenen verewigt. Für dieses Weihnachtsfest habe ich die Szene „Lasset die Kinder zu mir kommen“ ausgewählt.

Die erste Erfahrung des Jesuskindes war es, nirgends aufgenommen zu werden und keine Herberge zu finden. Und so kam es in der Krippe zwischen Ochs und Esel zur Welt. Nach der Geburt musste es gleich mit seinen Eltern nach Ägypten fliehen.
Wieviele Kinder müssen heute noch diese Erfahrung machen, dass sie ungewollt sind und zurück­gestoßen werden. Dabei schafft Gott in jedem neuen Menschenleben eine neue Welt. Einerseits mit so vielen Möglichkeiten, Heil zu wirken, andererseits auch mit den Abgründen der Zerstörung in sich. Was in dieser neuen Welt die Oberhand gewinnt, hängt von den Erfahrungen ab, die das Kind macht, aber auch von seinen eigenen Entscheidungen. In Jesus kommt Licht in die Welt. Die Dunkelheit hat keine Macht in ihm und so hat er die Kraft, Heil zu wirken und zu heilen. Wenn er sich den Kindern zuwendet, dann damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.

Kindheit zwischen Freiheit und Gewalt

Wenn ich mir die vielen Kinder hier anschaue, denke ich mir manchmal welch schöne Kindheit sie haben. Sie leben in der Natur mit so viel Freiheit und ohne Lerndruck. Sie kennen und essen die Früchte, die das Buschland um sie herum bietet. Das würde ich den Kindern in Deutschland auch wünschen. Aber es hat auch seine Schattenseiten.

Es gibt sie auch hier, die Gewalt gegen Kinder, angefangen bei häuslicher Gewalt bis zum Missbrauch an den Straßenkindern im nahen Lusaka. Auch der Schulbesuch ist für viele keine sichere Sache. Viele müssen zwischendrin mal ein Jahr „aussetzen“, weil das Geld für die Schulgebühren fehlt. Das macht es ihnen schwer, die Möglichkeiten zu entwickeln, die in ihnen schlummern. Da ist das Handeln Jesu Gegenbeispiel und Mahnung: „Lasset die Kinder zu mir kommen!“

Land­wirt­schaft ist auch Betriebswirtschaft

Im Kasisi Agricultural Training Center (KATC) ist viel passiert in den letzten Monaten. Im Juli hatten wir den Wechsel des Direktors. Bruder Paul Desmarrais ist nach fast 50 Jahren von Pater Andrew Simpasa abgelöst worden. Pater Simpasa hat vor seinem Eintritt für die staatliche Finanzbehörde gearbeitet und unter anderem in Kenia, Japan und USA studiert. Er bringt daher einiges an finanziellem Know-How mit.

Bruder Paul lebt weiterhin mit uns in Kasisi und kümmert sich nun schwerpunktmäßig um die Entwicklung des zweijährigen Fernkurses in Agro-Ökologie. Ziel des Kurses ist es, staatliche Agrarberater in ökologischer Land­wirt­schaft zu schulen, damit sie den Kleinbauern auch diese Methoden vermitteln können. Dadurch hoffen wir die Breitenwirkung unserer Arbeit weiter zu steigern.

Ich selbst bin seit Juli für Management und Entwicklung der Demonstrationsfarm in Kasisi zuständig. Dazu gehören neben Ackerbau und Viehhaltung auch die Weiterverarbeitung der Körnerprodukte zu Mehl, Haferflocken und der Milchprodukte zu Käse, Joghurt und Creme-Fraiche. Langsam steigt die Produktion in den verschiedenen Bereichen an, aber es braucht einen langen Atem, um die Farm zu einem wirtschaftlich arbeitenden Betrieb zu machen. Wenn dies gelingt, können wir neben dem Know-How aus den verschiedenen Bereichen, in den Trainingseinheiten auch die Betriebszahlen verwenden, um den Farmern auch Zahlen zur Wirtschaftlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Seit November haben wir wieder ein Projekt gestartet. 100 Kleinbauern aus den umliegenden Dörfern bauen Gemüse auf KATC-Land unter Bewässerung an. KATC stellt die Inputs wie Kompost, Saatgut und Training bereit. Jeder Teilnehmer bewirtschaftet seinen Plot von 1500 m² eigenständig. Ziel ist es, jederzeit um die 20 verschiedene Gemüsearten anzubauen, darunter lokale und vergessene Gemüsesorten. Das Gemüse wird dann gemeinsam mit KATC nach Lusaka gebracht und dort vermarktet. Die Teilnehmer können so die Ernährung ihrer Fami­lien verbessern und durch das erhöhte Einkommen zum Beispiel die Schulgebühren für ihre Kinder bezahlen.

Bio-Saatgut für die Zukunft

In Zusammenhang mit diesem Projekt planen wir auch, auf kleiner Ebene in die Produktion von Saatgut und Setzlingen für Gemüse einzusteigen. Neben den 100 Farmern als Abnehmer hoffen wir, damit auch viele Bauern in den umliegenden Dörfern zu erreichen. Ein Tunnelhaus und ein Garten sind bereits vorhanden, jedoch müssen wir noch die Wasserversorgung aufbauen. Diese Saatgutproduktion kann dann eventuell in Zukunft weiter ausgebaut werden, um ökologisch zertifiziertes Saatgut in Sambia anzubieten. Momentan ist es für ökologisch wirtschaftende Bauern extrem zeit- und nervenaufreibend, Saatgut und Zulassung für den Ökoanbau zu bekommen.

In einem bereits existierenden Schweinestall fangen wir gerade eine Schweinehaltung mit 4 Muttersauen an, die dann sobald wie möglich auf 12 Sauen aufgestockt werden sollen. Das Gemüse, das wir nicht auf dem Markt verkaufen können, kann dann zumindest in der Schweinehaltung verfüttert werden.

Langfristig wollen wir versuchen unser Anbausystem auf ökologische pfluglose Bodenbearbeitung umzustellen. Das ist eine große Herausforderung, da im ökologischen Anbau die Unkrautbekämpfung weitgehend mit dem Pflug passiert. Allerdings hat das Pflügen einige Nachteile. Neben dem höheren Benzinverbrauch, wird die Bodenstruktur negativ beeinflusst und das Bodenleben gestört. Diese Umstellung fordert aber einiges an Experimentieren, da es für die semi-ariden Gebiete wenig Erfahrung mit dieser Methode gibt.
In unseren Trainingseinheiten und in der Begleitung arbeiten wir viel mit Bio-Düngern, die die Bauern selbst auf ihrer Farm herstellen können. Neben der Lieferung von leicht verfügbaren Nährstoffen sind sie speziell konzipiert, um die Mikroorganismen im Boden anzuregen. Das Konzept wird von den Farmern sehr gut angenommen. Neben dem finanziellen Aspekt werden auch ihre Experimentierfreude und Beobachtungsgabe gefördert. So sind sie nicht nur Anwender teurer vorgefertigter Produkte.

Wertvolles Plastik

Ein weiterer Aspekt unserer Vision ist es, Kasisi generell mehr nachhaltig zu gestalten. Die Arbeit am Plastikrecycling-Projekt geht weiter. Der selbstgebaute Plastikschredder hat sich allerdings als nicht tauglich erwiesen, um größere Mengen an Plastik zu schreddern. Es war nicht möglich, einen preiswerten und geeigneten Motor zu finden. Handbetrieben kann er jedoch für die Arbeit mit den Schülern verwendet werden. Für größere Plastikmengen konnten wir zwischenzeitlich eine Presse und einen Schredder importieren. Jetzt müssen die Maschinen angeschlossen werden – dann kann das Sammeln des Plastiks richtig losgehen. Die Lagerkapazitäten für das Plastik sind zwsichenzeitlich schon völlig erschöpft. Die kleinen Maschinen (www.preciousplastic.com) für das Plastikrecycling mit den Schülern müssen in den nächsten Wochen fertig gebaut werden. Die meisten Teile dafür sind bereits gefunden. Ziel ist es, die Schüler für die Thematik zu sensibilisieren und ihre Ingenieurs- und Marketingfähigkeiten zu entwickeln.

Das Projekt lief gut an, musste dann aber wegen Corona auf Eis gelegt werden. Außerschulische Projekte sind leider immer noch nicht wieder erlaubt. Es wäre toll, speziell für dieses Projekt auch einen Freiwilligen zu finden.

Messe auf Chinyanja

Sonntags fahre ich zur Messe zu einem der 23 Außenposten der Pfarrei. Es braucht nicht viel, um unseren Glauben zu feiern. Die Messe kann ich schon ganz gut in Chinyanja lesen. Das Sprechen macht auch langsam Fortschritte – ich bleibe dran und die Leute freuen sich darüber. Die Wege zu den Dörfern sind in der Regenzeit Schlammpisten. In die entfernten Outstations gehen wir erst wieder in der trockenen Jahreszeit. Am Sonntag, als ich von der Messe heimfuhr, wurde ich von zwei Jungs angehalten, die ein 20 Meter langes Stück des Weges ausgebessert hatten und dafür einen kleinen Wegzoll erbaten. Ähnliches haben wir als Kinder auch gemacht. Irgendwie sind sich die Kinder rund um den Globus doch ähnlich...

Ein herzliches Vergelt’s Gott für Ihre/Eure Unter­stützung. Sei es materiell, sei es in Hilfe mit Rat und Tat, einfach im Zuhören oder im Gebet! Das alles hilft und trägt mich in diesem Dienst.

Ich wünsche Ihnen/Euch von Herzen ein gesegnetes, gesundes und frohes Weihnachtsfest. Möge das Unbill wegen Corona nicht zu schwer sein und uns nicht die Freude rauben, dass Gott Mensch geworden ist!

Gottes Segen!

Claus Recktenwald SJ

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