Thomas Rigl bei seinem Besuch in Nürnberg. Neben ihm: eine Khmer-Darstellung der Heiligen Jungfrau.

 – Kambodscha

Nachhaltigkeit und neue Aufgaben

Die Jesuiten und ihre Partner engagieren sich seit 25 Jahren www.jesuitenmission.de/fileadmin/user_upload/Kambod­in Kambod­scha. Sie haben eine technische Schule gegründet, Schulen wieder aufgebaut, kirchliches Leben neu aufblühen lassen, nachdem die Roten Khmer jegliche Religionsausübung verboten hatten und sich mit einer internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen eingesetzt, die 1997 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Aktuell unterhalten die Jesuiten in dem südostasiatischen Land drei Projekte: In Sisophon entsteht mit der Xavier Jesuit School ein echtes Leuchtturmprojekt, das Hunderten Kindern und ihren Fami­lien im armen Westen des Landes Hoffnung spendet. Im Ausbildungszentrum in Banteay Prieb können sich junge Menschen mit verschiedensten Behinderungen durch Handwerk eine Lebensgrundlage schaffen. Dazu kommt mit "Metta Karuna" ein Programm, das seit etwa 20 Jahren in unterentwickelten ländlichen Regionen Dorfentwicklung und Infrastrukturaufbau vorantreibt.

Dr. Thomas Rigl von der Arbeitsstelle Weltkirche im Bistum Regensburg ist seit sieben Jahren in und für Kambod­scha aktiv. Seit 2016 kümmert er sich als Berater in der Organisationsentwicklung für den Jesuit Service Cambodia um den Fortschritt und die Weiterentwicklung der Projekte. Bei einem Heimaturlaub berichtete er vom Status Quo, Herausforderungen und Perspektiven.

Das Ausbildungszentrum in Banteay Prieb war zunächst ein Projekt für Landminenopfer. 25 Jahre nach dem Pariser Friedensvertrag und dem Ende des Bürgerkriegs dürfte die Zahl der Versehrten immer mehr abnehmen – was wird aus dem Projekt?

Dr. Thomas Rigl: Es ist ein Projekt aus dieser Zeit. Es war das erste Projekt der Jesuiten in Kambod­scha, als es möglich war, nach dem Friedensschluss tätig zu werden. Die Jesuiten hatten mit ihrer Arbeit in den Flüchtlingslagern in Thailand angefangen, wo Zehntausende Kambod­schaner ausharrten. Als diese Leute dann nach Kambod­scha zurück­kehrten, sind die Jesuiten mit und haben als erstes das Projekt in Banteay Prieb aufgebaut, das bis heute immer größer wurde. Aber der Fokus liegt mittlerweile nicht mehr auf den Minenopfern. Auch Polio-Versehrte werden gottseidank immer weniger. Dafür gibt es mehr Verkehrsunfallopfer, die auch oft bleibende Behinderungen davon tragen.

In Banteay Prieb leben und arbeiten Menschen aus dem ganzen Land. Wie erfahren sie von dem Angebot?

Das Ausbildungszentrum richtet sich in erster Linie an junge Menschen. An Behinderte, die in ihren Dörfern zu Hause versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen, die aber eigentlich keine große Perspektive haben. Unser Outreach-Team versucht, sie aus den Dörfern heraus rauszuholen und ihnen eine Zukunft zu bieten, sich mit ihrer Ausbildung später selbstständig zu machen. Sie kriegen dann auch Unter­stützung, um sich eine Existenz aufzubauen.
Viele Kontakte kamen auch durch die Zusammenarbeit mit anderen NGOs zustande, die auch im Behindertenbereich tätig sind. Viele von diesen Organisationen haben inzwischen ihre Pforten geschlossen, weil das Land seit Anfang der 90er Jahre kontinuierlich im Aufwind ist. Das bedeutet aber auch, dass unsere Mitarbeiter ihr Gebiet ausweiten müssen, indem sie sich bemühen, neue Schüler in anderen Einrichtungen zu finden.

Wie viele Menschen leben und arbeiten gerade in Banteay Prieb?

Im Abschlussjahrgang waren es letztes Jahr knapp über 100. Und die aktuelle Zahl liegt bei ungefähr 90, das ist jetzt nicht erheblich niedriger, aber es wird immer schwieriger, unsere vorgesehenen 100 Plätze jedes Jahr neu zu besetzen.

Wie ist es dann um die Zukunft des Projekts bestellt?

Wir werden auf jeden Fall weitermachen. Wir sind die einzige Einrichtung dieser Art in dieser Größe in Kambod­scha, da gibt es auf jeden Fall Potenzial. Wir müssen uns weiterentwickeln und sind jetzt am Überlegen, welche Veränderungen wir für die nächsten Jahre planen. Das Projekt muss sich weiterentwickeln. Man kann nicht 20 Jahre die gleiche Arbeit machen, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern.

Wie ist es um weitere jesuitische Projekte in Kambod­scha bestellt. Außer der Schule in Sisophon unterhalten die Jesuiten auch ein Projekt zur Entwicklung des ländlichen Raums…

Mit dem Metta-Karuna-Programm wollen wir die ländliche Entwicklung verbessern, derzeit an den Standorten Siem Reap, Battambang, Kampong Thom, Phnom Penh und in Sisophon, wo gerade auch die Xavier School gebaut wird. Im Englischen würde man „Metta Karuna“ mit „loving kindness“ übersetzen, es handelt sich um zwei wichtige Begriffe aus dem Buddhismus, die sich im Kontext von Barmherzigkeit, Liebe und Güte bewegen. Dieses Programm läuft seit etwa 20 Jahren. Es geht um Dorfentwicklung und Einsatz für die arme Bevölkerung auf dem Land.

"Traditionell haben wir ein gutes Verhältnis zu den Behörden"

Wie ist die aktuelle Entwicklung?

Ich bin momentan zuständig für Projektanträge und Projektberichte. Jetzt haben wir einen strategischen Planungsprozess angestoßen. Der soll bis Jahresende abgeschlossen sein, sodass wir uns wirklich für die Zukunft aufstellen und zukunftsfähig arbeiten können. Wir werden uns auch neue Zielgruppen erschließen.

Was wären denn potenzielle Zielgruppen?

Eine Zielgruppe, die wir jetzt schon mal andiskutiert haben, hängt mit dem Thema Arbeitsmigration zusammen. Wir werden uns nicht um jene Arbeitsmigranten kümmern können, die in Thailand tätig sind oder in Korea. Aber viele Migranten lassen ihre Kinder zu Hause zurück bei den Großeltern. In vielen Dörfern besteht die Bevölkerung überwiegend nur noch aus alten Menschen und aus Kindern, weil die mittlere Generation weg musss zum Arbeiten – sei es in Kleidungsfabriken in und um Phnom Penh oder eben in Thailand. Da stellt sich die Frage: Wie steht’s eigentlich um die Kinder, die ohne Eltern sicherlich nicht optimal aufwachsen? Die Großeltern haben oft nicht die finanziellen Mittel, obwohl die Eltern oft Geld nach Hause schicken. Wir sind ja seit jeher auch im Bildungsbereich aktiv: Die Xavier Jesuit School ist ja ein großes, aber auch ein lokales Projekt. Ich kann nicht Leute aus Phnom Penh und aus dem Norden Kambod­schas in diese Schule schicken. Also überlegen wir, weitere kleinene Einrichtungen zu bauen.

Wobei ihr sicher nicht landweit beschulen könnt…

Natürlich nicht. Allerdings können wir den jesuitischen Bildungsansatz über Multiplikatoren auch in staatliche Schulen tragen. Neue Projekte werden immer auch Lehrerbildungskomponente beinhalten: Die pädagogische Praxis ist in Kambod­scha, wie in vielen anderen asiatischen Ländern, sehr stark auf das Auswendiglernen, das Nachplappern, was der Lehrer vorsagt, ausgerichtet. Das ist natürlich nicht unbedingt die gewinnbringendste Methode…

Wie gestaltet sich das Zusammenspiel mit den Behörden? Ist der JS akzeptiert oder gibt es Probleme?

Nein. Traditionell haben wir ein gutes Verhältnis zu den Behörden. Es wird für die NGOs dennoch jetzt ein bisschen schwieriger. Vor zwei, drei Jahren wurde ein Gesetz verabschiedet, das die NGOs stärker reglementiert. Es richtet sich aber vor allem an Organisationen, die im Bereich der Menschen­rechte arbeiten und tendenziell damit die Regierung kritisieren. Eben eine Regierung, die nicht sehr viel von den Menschen­rechten hält…

Wobei ja jede Arbeit einer NGO impliziert, dass die Regierung in irgendwelchen Bereichen versagt…

Schon. Aber es gibt ja NGOs, die speziell Advocacy-Arbeit im Bereich der Menschen­rechte machen, und natürlich letztendlich Bürger gegen die Regierung aufbringen, die sich nicht immer an Recht und Gesetz hält und vor allen Dingen nicht an die Menschen­rechte. Aber wir arbeiten nicht unmittelbar in diesem Bereich und sind daher bislang nicht von dem Gesetz betroffen. Wir können unsere Arbeit ungestört tun. Zudem findet sich in jedem kambodschanischen Ministerium mindestens ein ausländischer Berater zum Thema Entwicklungshilfe. Insgesamt agiert die Regierung immer professioneller. Das merkt wir etwa daran, dass auf einmal KfZ-Steuern erhoben und auch eingetrieben werden, inklusive der Nachzahlungen für die letzten Jahre. Für uns mag das kurzfristig etwas ärgerlich sein, aber an sich ist es eine gute Sache. Denn ohne Steuereinnahmen kann kein Staat Infrastrukturprojekte vorantreiben.

Was sind die größten Herausforderungen für eure Projekte?

Wie schon angedeutet: Wir müssen uns jetzt Gedanken machen, wie wir die nächsten fünf bis zehn Jahre arbeiten wollen. Manches von der Arbeit, die wir schon seit 20 Jahren machen, ist nach wie vor nötig, aber anderes eben nicht mehr. Da ist jetzt ein Diskussionsprozess in Gang gekommen, der bis zum Ende des Jahres entsprechende Ergebnisse bringen soll. Unsere Zielgruppen sind die Armen, aber was ist Armut? Es gibt viele unterschiedliche Formen davon in Kambod­scha. Aber: Wie finde ich den richtigen Zugang zu den Armen? Wie helfe ich ihnen jeweils? Hauptziel muss sein, die Qualität der Arbeit aufrechtzuerhalten und auf ihre Nachhaltigkeit zu achten.

Projektseite: Xavier Jesuit School

www.jesuitenmission.de/spenden/online.html: Xavier Jesuit School

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