„Seht den Menschen“ heißt das neue Werk von P. Peter Balleis SJ, ehemaliger Leiter von Jesuitenmission und JRS, jetzt Direktor des Bildungsprogramms Jesuit Worldwide Learning (JWL). Im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus diskutierte er seine Erkenntnisse über "die Versuchung zur Macht und das Elend der Flüchtlinge“. Gemeinsam mit Moderator Dr. Siegfried Grillmeyer und einem engagierten Publikum verknüpfte Balleis realpolitschen Pragmatismus mit spiritueller Weitsicht und unerschütterlichem Optmismus.
Ein „Buch für Politiker“ ist es, findet sein Autor. Denn wer ist „den Versuchungen von Reichtum, Ehre und Macht“ mehr ausgesetzt als die Verantwortlichen in den Parlamenten und Präsidentenpalästen? Diese Versuchungen sind, so P. Peter Balleis SJ, „Triebfedern der Gewalt und Ursachen der Kriege“ und damit verantwortlich für alle menschgemachten Katastrophen der Geschichte. Den Ausweg aus diesem menschlichen Dilemma weist, so Balleis, Jesus: Indem er in der Wüste genau diesen Versuchungen des Teufels widerstand und ihn mit Argumenten besiegte.
Syrien, Sudan, Sri Lanka, Afghanistan, Zentralafrikanische Republik…: Die Liste der Stationen, die Peter Balleis über 256 Buchseiten und in seinem Vortrag im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus Revue passieren lässt, ist lang, aber doch nur ein Ausschnitt seiner 20-jährigen Arbeit mit Flüchtlingen und Kriegsvertriebenen weltweit. Der ehemalige Leiter der Jesuitenmission und des Jesuitenflüchtlingsdiensts (JRS), mittlerweile Präsident des Bildungsprogramms Jesuit Worldwide Learning (JWL) kennt die Welt und ihre Konflikte. Potentaten in Afrika, Geopolitik im Nahen Osten, ethnische Auseinandersetzungen in Südasien: Tappt die Menschheit seit Jahrtausenden in die immer gleichen Fallen mit den immer gleichen schrecklichen Konsequenzen Gewalt, Hass, Unrecht? Und wie groß ist Balleis‘ Frust über eine Welt, in der sich Geschichte immer zu wiederholen scheint?
„Manchmal müssen wir auch mit dem Teufel freundlich reden“
Allen schrecklichen Erlebnissen zum Trotz: Pater Balleis gibt die Menschen nicht auf. „Wir gehen gerade, spürbar für alle, durch eine Evolution.“ Die Welt rücke seit zwei Jahrzehnten immer näher zusammen. Die Vision einer Wissensgesellschaft von Pierre Teilhard de Chardin – ein Jesuit, der Balleis schon als Jugendlichen stark beeinflusst hatte – sei durch die Digitalisierung Realität geworden. Jene Option auf Bildung für alle, die das Internet bietet, ist für Balleis ein Faktor für Frieden und Stabilität. Beispiel Afghanistan: „Bei meinem letzten Besuch in Bamiyan wurde mir klar, hier bekommen die Taliban keinen Fuß mehr auf den Boden“, berichtet er und erzählt von Mädchen, die Englisch plaudern und Ski fahren – „vor 20 Jahren nicht denkbar“.
Bildung als Schlüssel zu einer gewaltfreien Gesellschaft, denn: „Das Böse ist dumm.“ Kein Unrechtssystem dauert ewig, „jede Diktatur zerstört sich selbst“, vom Dritten Reich hin zu einer Autokratie in Simbabwe, die, so Balleis, in den letzten Zügen liege. Dennoch: „Das Böse ist real“, betont Balleis, der in 20 Jahren Arbeit mit Kriegsopfern Zeuge vieler Grausamkeiten wurde. Und es droht auch Gesellschaften, die sich sicher wähnen: „2008 hätte sich niemand in Syrien vorstellen können, was zehn Jahre später aus dem Land geworden ist.“ Denn die Menschen sind gefährdet – auch wir in Europa: „Wie sollen wir mit dem Hass umgehen, den z.B. „Pegida“ propagiert?“, wollte ein Gast aus dem Publikum von Balleis wissen. „Am besten, indem wir uns nicht in den Hass hineinziehen lassen“, antwortete Balleis, der weiß, dass der Zweck eben nicht immer die Mittel heiligt, und verweist auf den gewaltlosen Widerstand gegen das Nazi-Regime, etwa durch den Jesuitenpater Alfred Friedrich Delp oder den lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer.
Wie Menschen dieser Falle entgehen können, zeige der Blick auf Jesus. Denn der habe nicht nur den Versuchungen des Teufels widerstanden, sondern den Konflikt nachhaltig gelöst, indem er mit dem Versucher diskutiert hat: „Manchmal müssen wir auch mit dem Teufel freundlich reden“, sagt Balleis und berichtet von der Befreiung des von den Taliban entführten Jesuitenpaters Prem, die nur durch diplomatisches Geschick seiner Mitbrüder geglückt sei. In seinem Buch schreibt er: „Jesus lässt sich auf ein Gespräch ein. Wir erleben es ja allzu oft, dass jegliche Kommunikation abbricht, weil die eine Seite die andere verteufelt und man deshalb nicht miteinander redet. Jesus gibt der Versuchung, der Provokation nicht nach und er weicht ihr nicht aus, sondern er kommuniziert.“
Mit dem Bezug auf Jesus in der Wüste gelingt es Balleis, Realpolitik mit einer spirituellen Ebene zu verknüpfen: Das Leben und Propagieren christlicher Werte stiften Identität – nicht das Überhöhen des Eigenen und Abwerten des anderen.
Peter Balleis’ Buch „Seht den Menschen“ (256 S., Patmos Verlag) erscheint am 8. Mai.